Die “ZAK” – im abkürzungsverliebten Universum der Rundfunkaufsicht die für die Zulassung von Rundfunkangeboten zuständige Stelle – nimmt Anstoß am Twitch.tv-Kanal “PietSmietTV”. Der Kanal überträgt Let’s Plays und deren Wiederholungen, und das rund um die Uhr in Dauerschleife.
In ihrer Sitzung am 21.3.2017 stellte die ZAK fest, dass es sich bei “PietSmietTV” um einen linearen Informations- und Kommunikationsdienst, der sich an die Allgemeinheit richtet, handelt – und damit ein Rundfunkangebot, für das eine Rundfunklizenz notwendig ist, wenn mehr als 500 gleichzeitige Nutzer das Angebot abrufen können. So steht das in § 2 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Rundfunkstaatsvertrag (RStV):
(1) Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen.”
Überlegungen dazu, dass neue Onlinedienste lizenzpflichtig sein könnten, hat es schon vielfach gegeben, zum Bespiel in Bezug auf GoogleHangouts oder auch “Periscope”-Übertragungen. Diskussionen dazu waren ein Klassiker und Unruhestifter auf vielen Barcamps, die ich besucht habe.Aufsichtsbehördliche Konsequenzen hatte dies allerdings nie, was auch daran gelegen haben mag, dass das Merkmal der Verbreitung “entlang eines Sendeplans” in diesen Fällen nicht erfüllt war. Das war bei der Live-Übertragung der Handball WM durch die Deutsche Kreditbank im Jahr 2017 aber bereits anders, was schon damals die Landesmedienanstalten auf den Plan rief.
“PietSmietTV” wird nun bis zum 30.4.2017 die Gelegenheit gegeben, eine entsprechende Lizenz zu beantragen. Ein solches Zulassungsverfahren ist aber mit erheblichen finanziellen und organisatorischem Aufwand verbunden, so dass nicht wirklich damit zu rechnen ist, dass dies ein gangbarer Weg für den Anbieter ist. Nach Fristablauf drohen erhebliche Bußgelder.
Die ZAK liegt nach meinem Dafürhalten rechtlich durchaus richtig. Die Frage ist aber, wie für die Zukunft eine Lösung dieser Problematik aussieht. Vor dem Hintergrund eines Webs voller “rundfunkähnlicher” Angebote wirken die rechtlichen Unterscheidungen zwischen “linearen” und anderen Angeboten und solchen, die “entlang eines Sendeplans” verbreitet werden und solchen, bei denen das nicht der Fall ist, relativ kleinkariert. Anders ausgedrückt: Man kann schon daran Zweifeln, dass es ausgerechnet diese Merkmale sein sollen, die einen Dienst als für die Meinungsbildung so prägend erscheinen lassen, dass das eine Lizenzpflicht rechtfertigt. Immerhin diskutieren wir im Vorfeld der Bundestagswahl ja genau solche Fragen, genau die sind aber nicht an “PietSmietTV”, sondern an SocialMedia Plattformen wie Facebook oder Twitter aufgehängt – und die brauchen bekanntlich (derzeit noch) keine Lizenz.
Update, 10.5.17
“Mission Acomplished”, könnte man sarkastisch formulieren: PietSmiet.TV ist (erst einmal) offline.
Von der Gesetzeslage her ist der Fall recht klar.
Vom Sinn und Zweck der Lizenzerteilung ist das Internet aber doch anders einzuordnen als klassischer Rundfunk. Eine Übertragung der herkömmlichen Instrumente geht am Sinn und Zweck der Regulierung vorbei. Anders als bisher existiert im Internet keine erkennbare Frequenzknappheit, die irgendwie gleichmäßig unter den Anbietern ausgeglichen werden muss. Dieser Zweck der Lizenzerteilung kann also nicht erreicht werden.
Und anders als beim Rundkfunk gibt es auch keine territorialen Grenzen. Eine auf Deutschland beschränkte Lizenz verhindert also auch nicht, dass Angebote, die aus irgendwelchen anderen Gründen keine Lizenz erhalten würden, in Deutschland nicht abrufbar wären. Vollkommen absurd würde es, wenn solche Angebote ohne territorialen Bezug über Facebook verbreitet würden.
Am ehesten interessengerecht wäre wohl die komplette Aufhebung der Lizenzpflicht für Onlineangebote wegen der vollkommenen Sinnlosigkeit.
Naja, spätestens seit der Übertragungsweg keine Rolle mehr für die Lizenzpflicht spielt, hat sich die Frequenzknappheit als Argument für die Lizenzpflicht ja ohnehin erledigt. Im übrigen aber: Zustimmung.
Für den Zweitkanal PietsmietTV, der 24/7 alte Aufnahmen streamt, mag diese Einschätzung stimmen. Aber über den Hauptkanal, der auch betroffen ist, wird zu unregelmäßigen Zeiten live gestreamt; die Spiele, die gestreamt werden, werden meist erst am gleichen Tag angekündigt, mitunter wird auch spontan entschieden. Es gibt also weder einen Sendeplan oder “journalistisch-redaktionell” gestaltete Inhalte. Wenn das nun nach geltendem Recht ein Rundfunkangebot sein soll – was ich nicht glauben kann (oder mag) – dann ist so gut wie jeder Stream mit entsprechend hoher Zuschauerzahl ein Rundfunkangebot. Und dann sollte diese Überregulierung schnellstens rechtlich ausgebessert werden.