Dass das Internet nichts vergesse, ist eine Binsenweisheit. Allerdings eine, die nicht stimmt, wie jeder weiß, der einen “Mädchennamen” hat und den ab und an mal googelt. Allerdings hängt das, was das Internet vergisst, stark davon ab, welchen Inhalt es hat – und natürlich davon, ob die “Quelle” der Information irgendwann einmal versiegt. Und das ist gerade in Bezug auf die Berichterstattung über Straftaten und -Täter oft nicht der Fall.
Ob und unter welchen Voraussetzungen es erfolgversprechend ist, sich gegen “Alt”-Berichterstattung über Straftaten zur Wehr zu setzen, erklärt der folgende Beitrag.
Im August 2019 hatte ich die Gelegenheit, ein paar rechtliche Gesichtspunkte zu einem lesenswerten Text von Hubert Beyerle im Wochenmagazin “Forum” beizusteuern, der sich mit der Verrohung der Sprache in der Politik befasst. Nachdem der Artikel mit dem Titel “Beleidigungspolitik” zunächst nur im Print erschienen war, ist er jetzt auch Online verfügbar, und zwar hier.
“Der Mob wird’s schon richten.” – in diese Richtung verstehe ich einen Text aus dem Februar 2019 von Sascha Lobo auf Spiegel Online in Bezug auf die Frage, ob “private Social Media Notwehr” zulässig sein soll, damit meint der Autor das Posten von Bildmaterial, das vor Gewalttätern “warnen” soll.
Interessanter Weise am selben Tag wie der oben verlinkte Text erschien eine Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt, aus der hervorgeht, dass der Axel-Springer-Verlag wegen der Verletzung einer gerichtlichen Unterlassungsverpflichtung in Zusammenhang mit den “Fahnungsaufrufen” nach den G20-Krawallen in Hamburg ein gegen ihn verhängtes Ordnungsgeld von 50.000 € wirklich zahlen muss (OLG Frankfurt a.M. Beschl. v. 29.1.2019 Az. 16/W 4/19).
Das Landgericht Hamburg hat am 12.5.1998 entschieden, dass ab sofort und bis in alle Zukunft in jedem Online-Impressum ein überflüssiger Hinweis auf irgendwelche Verlinkungen zu stehen hat. Wer die Rivalität zwischen der schönsten deutschen Stadt und der Berlin kennt, der weiß: Sowas lässt sich der Berliner nicht bieten, und nun hat sein Landgericht endlich nachgezogen. Mit seinem Urteil in Sachen Vreni Frost (Urteil v. 24.05.2018 – Az.: 52 O 101/18) sorgt das LG Berlin nun dafür, dass Influencer landauf landab ihre Blogs und Channels mit Werbekennzeichnungen zupflastern, dass einem die Augen tränen.
Nach vierwöchiger Pause folgt nun endlich wieder eine sommerliche Ausgabe des Podcastduos Krasemann / Dirks. In der 145. Folge des Jurafunks geht es wieder einmal um den lieben Datenschutz, ebenfalls wieder einmal am Beispiel der neuerdings liebevoll “Höchstspeicherfrist” genannten “Vorratsdatenspeicherung”. Des Weiteren lernen wir, dass “Dashcams” im Auto nützlich sein können und das Fotografen auch dann verantwortlich für ihre Fotos sein können, wenn sie nicht unmittelbar selbst deren Veröffentlichung vornehmen. Viel Vergnügen!
Jurafunk Nr. 145 – Inhalt
00’00”: Intro: Es ist Sommer.
01’05”: VDS – Return Of the Living Dead (OVG Münster, Beschl. v. 22.6.17, Az. 13 B 238/17).
14’18”: Rausreden gilt nicht: Journalist ist für Bildveröffentlichung ohne Einwilligung strafrechtlich verantwortlich (OLG Köln, Urt. v. 6.7.17, Az. III-1 RVs 93/17).
20’54”: Aufnahmen aus Dashcams können im Zivilprozess verwendet werden (OLG Stuttgart, Urt. v. 17.7.17, Az. 10 U 41/17).
26’05”: “Scherz”-Erklärung beim Autokauf nicht verbindlich (O Frankfurt, Urt. v., 2.5.17, Az. 8 U 170/16LG)
30:55: Outro: Jurafunk Sommer-Spezial-Termine (Siehe unten).
Hinweise zu Folge 125:
In Minute 25 wird erläutert, dass es sich bei dem Antrag nach §123 VwGO gegen die Bundesnetzagentur um ein Unterlassen der Bundesnetzagentur geht. Das ist technisch nicht ganz korrekt, es handelt sich nämlich nicht um einen “Unterlassungs”- sondern um einen “Feststellungs”-Antrag. Hier ging die Verständlichkeit ein wenig auf Kosten der Genauigkeit.
Wichtige Jurafunk-Termine im Sommer 2017:
In den nächsten Monaten drohen wieder eine Reihe von Jurafunk-Spezialausgaben, vor denen wir hiermit warnen möchten:
Die Co-Frontfrau einer irrelevanten Kleinpartei wird von NDR Sendung-“Extra Drei” (Im Video: 27’15”) als “Nazi-Schlampe” tituliert und geht – vielleicht nicht ganz überraschend – dagegen vor. Der NDR weigert sich, eine entsprechende Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Die Betroffene wendet sich folgerichtig mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an das Landgericht Hamburg, welches den Antrag (soweit ich dies sehe: ohne mündlich zu verhandeln) ablehnt (LG Hamburg, Beschluss vom 11.05.2017, Az. 324 O 217/17).
Die so genannte “Netzgemeinde” ist nun außer sich vor Freude darüber, dass man bzw. auch “Der NDR” die Politikerin jetzt ungestraft entsprechend betiteln dürfte. Wer über das vermeintliche Erlaubtsein der Bezeichnung zu lang, zu ausgiebig oder zu öffentlich jubelt, läuft allerdings Gefahr, der nächste zu sein, der eine Abmahnung erhält. Denn natürlich muss es auch eine unwichtige Politikerin einer unbedeutenden rechtsradikalen Splitterpartei nicht hinnehmen, sich außerhalb des konkreten Kontextes als “Schlampe” bezeichnen zu lassen. Die Pointe des NDR-Stücks liegt ja gerade darin, dass sich die Politikerin für weniger “Political Correctness” einsetzt und soll auf drastische Weise vorführen, wozu die Abschaffung dieser Political Correctness in der Auseinandersetzung führt. Die Bezeichnung “Nazi-Schlampe” fällt entsprechend auch nur ein einziges Mal und dann in unmittelbaren Zusammenhang mit der “Correctness”-Äußerung. Darin liegt der “Sachbezug” der Äußerung, der das Gericht offenbar dazu gebracht hat, die “Schmähkritik” als Grenze zulässiger Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) noch nicht als einschlägig anzusehen.
Außerhalb dieses Kontextes ist das Betiteln anderer Mitbürger mit diesem Begriff selbstverständlich erstens als Persönlichkeitsrechtsverletzung zu unterlassen und außerdem als (Formal-)beleidigung nach § 185 StGB strafbar. Dasselbe gilt meines Erachtens möglicherweise auch schon für die (falsche) Darstellung, die konkrete Dame dürfe außerhalb des genannten Kontextes mit gerichtlichem Segen so genannt werden.