“Bild” zeigt Jenny Elvers beim Bierholen

“Dürfen die das?” fragte am Ostersamstagmorgen in der Brötchenschlange eine ältere Dame Ihren Mann und zeigte auf die druckfrische Bildzeitung. Die sah von vorn ungefähr aus wie der Screenshot, der diesen Beitrag ziert.

Bezogen auf die Zeitung mit den vier Buchstaben und die Frage, ob Frau Elvers diese Art der Berichterstattung zu Ihrer Person dulden muss, wird die Antwort wohl “ja” lauten. Denn wer sich zunächst durch einen Fernsehauftritt einschlägig ins Gespräch bringt und danach die Mutmaßungen über eine mögliche Alkoholsucht selbst noch ausführlich öffentlich bestätigt und kommentiert, der macht eben sein Privatleben zum zeitgeschichtlichen Ereignis.

Und damit wird auch das Foto vom ansonsten privaten Bierkauf zum Bildnis der Zeitgeschichte, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) – und dann darf die Zeitung das (Foto ohne Einwilligung veröffentilchen), im Grundsatz, und in concreto m.E. auch hier.

Ein (un)schönes Beispiel nicht nur für das Diekmann’sche Aufzugs-Gleichnis,sondern auch für die Regel, dass es bei der öffentlichen Zurschaustellung des eigenen Privatlebens auch rechtlich kein “Zurück” gibt. Auch nicht, wenn man das gern möchte.

dirks.it digest 3/2013

Hier nun mein persönlicher März-Rückblick: Was hab ich in den letzten 30 Tagen ins Internet geschrieben und gesprochen und wo gab’s sonst noch was von mir zu lesen?

Der März 2013 war ein absoluter Jurafunk-Monat. Alles in allem gab es vier (!) Veröffentlichungen des wohl großartigsten Rechtspodcasts weit und breit:

Wer bei der Schlagzahl nicht mehr mitkommt, sollte uns auf twitter folgen, um nichts zu verpassen.

Im Social Media Recht Blog habe ich mich im März wie folgt verewigt:

Außerdem habe ich dem Jungjuristenmagazin “Karriere im Recht” gemeinsam mit Henry Krasemann ein Interview gegeben, das aber leider nicht online verfügbar ist. Ich wollt’s nur der Vollständigkeit halber erwähnt haben.

Meine persönlichen Rechts-Tags für März:
Augsburger Allgemeine, Beschlagnahme, Kachelmann, einstweilige Verfügung gegen Tweet.

DPA schweigt im “Fall Schweiger”

Im neuen Hamburger “Tatort” ist  der Schauspieler Til Schweiger „Nick Tschiller“ – ein mit allen Wassern gewaschener Draufgänger, der auch das eine oder andere Mal erst schießt, bevor er fragt.

Im echten Leben allerdings bedient sich Schweiger offensichtlich anderer Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen. Nachdem es Ende März zu einem Anschlag Verwirrter auf sein Haus und das Auto seiner Freundin gekommen war, wehrte sich Schweiger mit anwaltlicher Hilfe gegen die Berichterstattung über dieses Ereignis.

Die Nachrichtenagentur DPA teilte ihren Kunden in Zusammenhang mit bereits verbreiteten Meldungen zum Thema „Anschlag auf Til Schweiger“ mit:

 “Sehr geehrte Kunden, der dpa ist ein Schreiben des Rechtsanwaltes von Til Schweiger zugegangen, in dem er dazu auffordert, von einer Berichterstattung über den Farbanschlag auf das Haus des Schauspielers abzusehen. Wir sind der Auffassung, dass die dpa-Berichterst­attung rechtmäßig ist, können jedoch keine Aussage über den tatsächlichen Ausgang möglicher Rechtsstreitigkeiten treffen. Wir weisen darauf hin, dass eine Verwendung der eben gesendeten dpa-Meldung zu rechtlichen Auseinandersetz­ungen führen könnte. Auf eine breitere Berichterstattung inklusive Zusammenfassung­ und Fotos verzichtet dpa vorerst.”

Im Internet wird an verschiedenen Stellen berichtet, die DPA sei nicht die einzige Stelle gewesen, die entsprechende Aufforderungen erhalten hätte. Offensichtlich war das Anwaltsschreiben des Berliner Kollegen Eisenberg allerdings nicht mit der Ankündigung weiterer Schritte- wie etwa einer einstweiligen Verfügung – verbunden.

Über die Motive dass des Schauspielers, die Berichterstattung über den Anschlag auf seine Person verhindern zu wollen, lässt sich trefflich spekulieren. Am wahrscheinlichsten ist natürlich, dass er fürchtet, Nachahmer könnten auf den Plan gerufen werden, wenn nähere Umstände aus seinem Privatleben zum Gegenstand der Berichterstattung werden. Zunächst kann sich der Schauspieler allerdings erst einmal über einen “Candystorm” im Internet freuen: Seine Fans bekunden derzeit massenweise ihre Solidarität mit dem Schauspieler.

Rechtlich jedenfalls steht ein solches Vorgehen im konkreten Fall auf eher wackeligen Beinen.

Wer sich gegen Medienberichterstattung – z.B. über das eigene Privatleben – wehren möchte, kann das in aller Regel nicht pauschal tun, auch wenn genau dies der Wunsch auch vieler unserer Mandanten ist.

Ansatzpunkt für ein Vorgehen gegen eine Medienberichterstattung ist in aller Regel eine bereits vorliegende oder unmittelbar bevorstehende, identifizierende Veröffentlichung, von der der Betroffene meint, dass sie in ihrer konkreten Form etwa sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt – weil sie zum Beispiel Sachverhalte öffentlich macht, die zur Privat- oder Intimsphäre des Betroffenen gehören; weil sie falsche Tatsachenbehauptungen enthält, oder weil sie den Betroffenen herabwürdigt. In den genannten Konstellationen verletzt die entsprechende Berichterstattung regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.

In diesen Fällen bestehen verschiedene Ansprüche – in der Regel ist es für einen Betroffenen in derartigen Fällen vor allem wünschenswert, ein komplettes Verbot der fraglichen Berichterstattung sowie zukünftiger vergleichbarer Berichterstattung zu erreichen, was regelmäßig gar nicht so einfach ist.

Das richtige rechtliche Mittel dazu ist der Unterlassungsanspruch, und zwar der aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 (analog), 823 Abs. 1, BGB, Art. 2 Abs .1, i.V.m. 1 Abs. 1 GG, bei Bildberichterstattung ggf. auch in Verbindung mit §§ 22 f. KUG. Für diese Ansprüche bestehen aber nicht umsonst relativ hohe Hürden, denn das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen muss sich an den Medienfreiheiten aus Art. 5 GG messen lassen.Und die sind, wie das Bundesverfassungsgericht bereits im “Lüth”-Urteil 1958 so schön gesagt hat: „schlechthin konstituierend für die freiheitlich- demokratische Grundordnung“.

Bezogen auf den „Fall Schweiger“ wäre bei möglicher Wort- und Bildberichterstattung zu prüfen, ob etwa die Veröffentlichung eines konkretes Fotos – z.B. seines Hauses oder des Autos, wie im verlinkten Bild-Artikel oben – so weit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreift, dass dahinter die Medienfreiheiten zurückstehen müssen.

Das scheint mir bei der bislang bekannten Faktenlage hier aber kaum denkbar.

Denn einerseits dürfte nach der „klassischen“ (aber überholten) Terminologie der Schauspieler eine (absolute) Person der Zeitgeschichte darstellen; andererseits ist aber auch der Anschlag auf sein Haus als zeitgeschichtliches Ereignis zu werten, das eine identifizierende Berichterstattung grundsätzlich rechtfertigt, auch, wenn Opfer von Straftaten natürlich grundsätzlich besonderen Schutz genießen.

Aber genau in den Wörtchen “grundsätzlich” verbirgt sich die Abwägung der betroffenen Rechtspositionen. Nicht mehr gerechtfertigt wären selbstredend Einblicke mit Teleobjektiven in das Schlafzimmer von Herrn Schweiger, wovon aber auch nirgendwo die Rede ist.

Dies wissen, wie gesagt, auch die durch den Schauspieler beauftragten Kollegen. Demgemäß scheint es sich bei der Aufforderung, nicht mehr über den Vorfall zu berichten, auch nicht um eine Abmahnung zu handeln (Mit der Unterlassungsansprüche geltend gemacht würden), sondern vielmehr um eine Art presserechtliches Informationsschreiben (mit welchen in der Regel nicht die Geltendmachung bestimmter Ansprüche verbunden ist, sondern lediglich erst einmal  Rechtsmeinung mitgeteilt wird –  hier wohl die, dass man eine identifizierende Berichterstattung über den Vorfall für rechtswidrig hält).

Die DPA will sich offenbar an diese Rechtsmeinung halten, wenn ich die Kundenmitteilung richtig verstehe – Ob damit den Medienfreiheiten unbedingt gedient ist, ist allerdings eine andere Frage.

Jurafunk #94: Ex-Wettermoderator / Augsburger Allgemeine / Haustiere / Schwarzfahren

Leider gab es mit dem Link zum aktuellen Jurafunk heutemorgen ein paar Probleme, die jetzt aber behoben sein sollten.

 

Hier nun noch die

Inhaltsübersicht

zum bis jetzt besten Rechtspodcast weit und breit:

  • Intro-Gag: Henry Krasemann im Interview mit Katja Rieman (ab 0’00”),
  • Ex-Wettermoderator scheitert vor dem BGH (ab 1’27”),
  • BGH zum Haustierverbot in Mietwohnungen (ab 9’50”),
  • Beschlagnahme bei “Augsburger Allgemeinen” rechtswidrig (ab 14’05”),
  • Schwarzfahren bei der DB wird manchmal gar nicht so teuer (21’05”).

Hier gehts zum Podcast (mp3).

Bitte folgen Sie dem Jurafunk auch auf twitter: @jufunk!

Mit der Bitte um Kenntnisnahme: Jurafunk Nr. 94

Alle reden vom Wetter, wir reden vom Wettermoderator. Unter anderem. Weitere Themen in der bereits 94. Folge des Kieler Rechtspodcasts: Warum Frau Rechtsanwältin Diercks im Fall der “Augsburger Allgemeinen” von Anfang an richtig lag, wieso für Mieter das Halten von Hunden und Katzen zukünftig einfacher wird und weshalb “Schwarzfahren” nicht immer “Schwarzfahren” ist. Zum Podcast bitte hier entlang.

Intime Details auf „Bild.de:“ Ex-Wettermoderator scheitert endgütlig vor dem BGH

Mit dem Winter 2012/2013 ist es ein bisschen wie mit der juristischen Aufarbeitung des Falles “Wettermoderators K.”: Er nimmt kein Ende. Der Angeklagte ist zwar unschuldig, das Strafverfahren längst rechtskräftig beendet; die Sache ist aber juristisch nicht ausgestanden. Seit Jahren  nimmt der ehemals Angeklagte nun  große Medienhäuser wegen der Berichterstattung über sein Privatleben in Anspruch. In vielen Fällen mit Erfolg  (Mehr dazu z.B. in “Jurafunk”-Ausgabe #71 – ab 1’20”) .

Derartige Verfahren können jedenfalls Jahre dauern, wenn sie sich über mehrere Instanzen hinziehen; wenn sie dabei zurück verwiesen und neu aufgerollt werden, sind sogar Jahrzehnte drin.

Ganz soweit waren wir bei dem Verfahren, das in dieser Woche vor dem BGH verhandelt und entschieden wurde, allerdings noch nicht. Am 19.3.  erteilte der BGH nun dem ursprünglichen Kläger K. im Streit um vermeintlich rechtswidrige Berichterstattung auf „Bild.de“ vom 13.6.2010 eine Absage.

Dort erschien am jenem Tag ein Artikel mit der Überschrift „Magazin Focus veröffentlicht intime Details – Der K. Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht“. Der Artikel befasste sich inhaltlich mit intimen Details aus der (angeblochen) Tatnacht, die – auf welchem Wege auch immer – von der ermittlungsrichterlichen Vernehmung des Beschuldigten ihren Weg in die Presse gefunden haben.

Die Krux nun:
Es handelt sich bei diesen „Details“ einerseits um solche aus der Privat- und Intimsphäre des Betroffenen – Unter „normalen“ Umständen sind diese einer Berichterstattung entzogen.

Denn bei einer Veröffentlichung derartiger Sachverhalte wiegt der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen so stark, dass es das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung regelmäßig überwiegt. Wen geht schließlich an, wie es bei K. im Schlafzimmer zugeht?
Im vorliegenden Fall allerdings war die Sache unter zwei Aspekten nicht ganz eindeutig.

Denn genau diese intimen, der Berichterstattung normalerweise entzogenen Details wiesen ja Bezug zu dem gegen den Moderator geführten Strafverfahren auf, in dem es ja vor allem um die Frage ging, ob eine Vergewaltigung vorlag – oder eben, wie das Landgericht Mannheim schließlich feststellte: eben nicht. Und genau aus diesem Grund waren diese Details später auch noch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Mannheim zur Sprache gekommen und dort auch verlesen worden.

Sie wurden dadurch also jedenfalls der „Saalöffentlichkeit“ im Gerichtssaal bekannt und somit auch grundsätzlich zum Gegenstand rechtmäßiger Medienberichterstattung.

K wehrte sich nun im Nachhinein gegen die Berichterstattung über die fraglichen Details, die vor der mündlichen Verhandlung stattgefunden hatte.

Die entsprechenden Details hätten allein dazu gedient, Voyeurismus zu bedienen. Das öffentliche Interesse an der Berichterstattung müsse daher hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht K’s zurücktreten, argumentierten Seine Prozessbevollmächtigten.

Landgericht und Oberlandesgericht Köln gaben K. insoweit Recht und verurteilten Bild.de, “es zu unterlassen die beanstandeten Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf die sexuellen Neigungen des Klägers ergaben, wie in dem Artikel vom 13. Juni 2010 zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten”.

Denn: Nur weil die Details einer „Saalöffentlichkeit“ bekannt geworden seien, heiße dies noch nicht, dass sie auch einer „Medienöffentlichkeit“ bekannt gemacht werden dürften.

Der BGH hob die Entscheidungen zu Gunsten K’s nun aber auf:

Wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung sei die Veröffentlichung im Juni 2010 wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig gewesen. Ein Unterlassungsanspruch des K. bestehe nun aber trotzdem nicht:

Denn nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung wäre eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen nunmehr zulässig.

Demnach sei die Wiederholungsgefahr bezüglich der ursprünglichen Berichterstattung entfallen. Ohne diese gibt es aber keinen Unterlassungsanspruch.

Damit scheint es (jedenfalls gemäß der bislang allein vorliegenden Pressemitteilung des BGH) so, als erteile der das höchste deutsche Zivilgericht der Differenzierung des OLG Köln zwischen “Saalöffentlichkeit” auf der einen und “Medienöffentlichkeit” auf der anderen Seite eine Absage:

Die Medienberichterstattung auch über intime Details des Privatlebens eines von einem Strafverfahren Betroffenen dürfte regelmäßig zulässig sein, wenn diese in – öffentlicher – Verhandlung zur Sprache kamen. Etwas anderes gilt ggf. Zeiträume vor der mündlichen Verhandlung, dort galten und gelten die engen Grenzen der Verdachtsberichterstattung.

Da der BGH den Anspruch hier erst an der Wiederholungsgefahr scheitern ließ, wäre es aus meiner Sicht aber durchaus möglich, dass K. wegen der grundsätzlich rechtswidrigen Berichterstattung noch Schadensersatz geltend macht.
Was das Urteil des BGH angeht, so wäre dieses nur noch mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht angreifbar. Über dieses Verfahren dann gegebenenfalls mehr an dieser Stelle…

Jurafunk Nr. 93 – Posten & Bloggen ohne Reue: Slideshow

Der Jurafunk Nr. 93  mit dem Titel “Posten & Bloggen ohne Reue – das Einmaleins der Bildrechte im Web 2.0” von der CeBIT ist auf großes Interesse gestoßen. Wir haben uns deshalb die Mühe gemacht, aus Aufzeichnung + Folien eine Slideshow zusammenzubasteln. Das Ergebnis ist jetzt online. Gute Unterhaltung!