Seit mehr als einem Jahrzehnt gehören Abmahnungen wegen illegalen Filesharings zur Lebensrealität des Internets. Wer P2P-Software einsetzt und damit das Repertoire von Film- oder Musikrechteverwertern verteilt, muss inzwischen schlicht und einfach damit rechnen, dass früher oder später Anwaltspost im Briefkasten liegt. Seit Jahren bereits wird immer mal wieder die Frage diskutiert, ob auch wegen illegalen Streamings entsprechende “Abmahnwellen” drohen.
Auf Diskussionsveranstaltungen zum Thema ist festzustellen, dass bei vielen Usern die “Streaming-Abmahnungs-Welle” als allgegenwärtige Bedrohung wahrgenommen wird, die schon morgen wahr werden könnte – obwohl noch niemand jemals eine einzige derartige Abmahnung in freier Wildbahn gesehen hat. Ein Urteil des EuGH lässt diese Diskussion erneut aufflammen (EuGH, Urt. v. 26.4.2017 – Az. C-527/15, Stichting Brein).
Kommt nun die Streaming-Abmahn-Welle? Spoiler: “Nein”.
“Eltern haften für ihre Kinder”, da steht’s doch! Stimmt aber nicht. (Foto: Martina Roell; Lizenz: CC BY-SA 2.0)
So sprach SZ-Kommentator Heribert Prantl und meinte damit die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs zu einer Filesharing-Entscheidung (Urteil vom 30. März 2017 – I ZR 19/16 – “Loud”). Bemerkenswert war das aus zwei Gründen: Zum einen, weil ich mich nicht erinnern kann, dass Prantl sich schon einmal mit dem Filesharing als Gegenstand der Rechtsprechung befasst hat. Und andererseits hinsichtlich der Ignoranz, die der Autor sich da leistete, so richtig durchdrungen oder auch nur ein bisschen näher angesehen hatte er sich seine Thematik nämlich nicht.
Der nachfolgende Text hatte ursprünglich eine Welle gefälschter Filesharing-Abmahnungen Anfang 2017 zum Gegenstand. Da es allerdings immer mal wieder entsprechende “Wellen” gibt, aktualisiere ich ihn inzwischen regelmäßig mit Informationen zu neuen Fake-Wellen.
Wenn Sie eine der unten genannten E-Mails erhalten haben, ist eine Reaktion nicht notwendig. Sie benötigen weder einen Rechtsanwalt und erst recht sollten Sie die enthaltenen Zahlungsaufforderungen nicht beachten. Es handelt sich um mehr oder minder geschickte Fälschungen von Betrügern, die Sie um ihr Geld bringen wollen.
Seit dem 9.3.17 erhalte ich diverse Anfragen wegen angeblicher Filesharing-Abmahnungen wegen eines illegalen Tauschbörsenangebots, das das Programm “Adobe Photoshop” betreffen soll. Die “Abmahnungen” werden per EMail versandt und fordern neben der Abgabe einer Unterlassungserklärung zur Zahlung von ca. 4.000 € auf. Außerdem werden die Empfänger dazu verleitet, durch Klick auf einen Link weitere “Unterlagen” herunterzuladen, bei denen es sich aber um einen Trojaner handelt.
Bei aller verständlichen Aufregung hilft es hier doch, einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch wenn es nicht generell ausgeschlossen ist, dass Abmahnungen per EMail ausgesprochen werden, so geschieht dies jedoch gegenüber Verbrauchern in der Regel nicht.
Auch die Tatsache, dass Angaben zur Überprüfung des Vorwurfs und auch eine Personalisierung fehlen und sich weitere Informationen in einer “.RAR”-Datei verstecken sollen, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen, und zwar dahingehend, dass es sich hier um eine Fälschung handelt. Die Abmahnungen könnten also zum Anlass für eine Strafanzeige genommen werden, aber auf keinen Fall für eine Zahlung(!).
Dass es ausgerechnet um “Photoshop” gehen soll, dürfen wir wohl als kleinen “Gag” der Urheber verstehen, die sich mutmaßlich dieses Programms bedient haben, um etwas zu basteln, dass irgendwie optisch als “Abmahnung” durchgeht (siehe die Wiedergabe der Grafik links).
Sich bei der Kanzlei Waldorf-Frommer telefonisch rückzuversichern, scheint aktuell eher schwierig zu sein, man leidet offenbar unter erhöhtem Anrufaufkommen.
Wortwörtlich gleiche Fake-Abmahnungen werden nunmehr unter anderen (gefälschten) Kanzlei-Absendern versendet, u.a. im Namen von SKW Schwarz (Statement der Kanzlei).
Für diese gilt uneingeschränkt das oben Gesagte. “Echte” Filesharing-Abmahnungen kommen in der Regel per Briefpost, sind von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin namentlich unterschrieben und enthalten Daten und weitere Dokumente, die den Empfänger und den in Frage stehenden Rechtsverstoß näher konkretisieren bzw. begründen.
“Lebenswege” heißt ein Kieler Zeitschriftenprojekt von Flüchtlingen für Flüchtlinge, das seit September 2016 auf Deutsch und auch auf arabisch erscheint. Für die erste Ausgabe hat mich die Redaktion um ein Statement zum Urheberrecht in Deutschland gebeten, das ich gern gewährt habe. Die arabische Version des Interviews stelle ich mit freundlicher Genehmigung nachfolgend zum Download bereit.
Zum wahrscheinlich letzten mal im Jahr 2016 gibt es einen neuen Jurafunk. In Folge 139 geht es um eine vielfältig interpretierbare Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung des Anschlussinhabers beim Filesharing, um die Frage, wann Blogger für Tatsachenbehauptungen haften, ob und wann Inhalte Dritter im Google-Cache Vertragsstrafen auslösen können, was Schornsteinfeger bei ihrer Arbeit so alles nicht dulden müssen (z.B.: Gefilmt werden) und dann noch zwei Entscheidungen, die sich um den Vertrieb von Sexspielzeug und Treckerfahren drehen. Viel Vergnügen!
Eine Pressemitteilung des BGH sorgt für Aufruhr. Wieder einmal. Es ist leider schlechte Tradition beim Bundesgerichtshof, dass in Verfahren von besonderem medialen Interesse vorab Pressemitteilungen herausgegeben werden, die Entscheidungen wiedergeben, die im Volltext noch gar nicht vorliegen. So dürfen Medien und Fachwelt dann tüchtig herumraten, was wohl neues drinstand im bahnbrechenden Filesharing-Urteil. Das wird besonders unterhaltsam dadurch, dass sich die Presseinformationen nicht immer durch besonders große Klarheit auszeichnen. Also, munter drauf los spekuliert: Diesmal geht’s um Filesharing und voreingestellte Router-Passwörter.
Es kommen derzeit wieder mehr Mandanten mit Filesharing-Abmahnungen bei mir an. Das muss nicht an einem tatsächlichen Anstieg der Abmahnzahlen liegen. Viele Faktoren haben da einen Einfluss. Manche werden auch erst mürbe (und machen sich dann auf den Weg zum Anwalt), wenn sie das dritte oder vierte Schreiben der gegnerischen Anwaltskanzlei erhalten haben. Oder wenn schon der Mahnbescheid im Briefkasten lag. Trotzdem Grund genug, einige jüngst zum Filesharing ergangene höchstrichterliche Entscheidungen einmal näher anzusehen, die Mitte Oktober im Volltext vorliegen.