In Notwehr mit Kanonen auf Drohnen? (AG Riesa, Urt. v. 24.4.2019 – 9 Cs 926/19)

“Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden”, so steht das in § 32 StGB. Und wie jeder Jurastudent im ersten Semester Strafrecht lernt, hat dieser vermeintlich harmlose kleine Satz es in sich.

Denn im Gegensatz zu anderen Rechtfertigungsgründen (“rechtfertigenden”, sowie “Defensiv”- und “Aggressiv” -notständen) kennt die Notwehr gerade keine Verhältnismäßigkeitsprüfung, das heißt im Grundsatz: Es kommt nicht darauf an, welches Mittel zur Abwehr des Angriffs gewählt wird und ob dieses Mittel im Vergleich zu dem Angriff vielleicht ein kleines bisschen krass ist.

Man darf, zumindest wenn kein anderes Mittel zur Hand ist, das endgültig Abhilfe verspricht, also auch mit Kanonen auf Spatzen schießen. Klar, immer vorausgesetzt, die Spatzen haben zuvor einen “Angriff” auf ein Rechtsgut des Schießenden verübt.

Und wie sieht es mit Drohnen aus?

Kann man auf die auch mit Kanonen schießen, wenn man nur die gerade griffbereit hat und ein vom Nachbarn gesteuertes Fluggerät die eigene Familie im eigenen Garten terrorisiert? Genau diese Frage wird mir in Workshops ziemlich oft mit einem Augenzwinkern gestellt (und andere stellen sie sich natürlich auch). Meine Antwort lautet darauf im Ergebnis sinngemäß: Wenn die Voraussetzungen eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs stimmen: Feuer frei.

In diese Richtung geht nun auch ein Urteil des Amtsgerichts Riesa (Urt. v. 24.4.2019, Az. 9 Cs 926 Js 3044/19), wonach so ein Vorgehen durch zumindest als Notstandshandlung gerechtfertigt sein kann. Im vorliegenden (Straf-)Verfahren wurde der Angeklagte Schütze freigesprochen. Er hatte zu einem Luftgewehr (sic) gegriffen, um sich und seiner Familie eine vom Nachbarn gesteuerte Drohne vom Leib zu halten und der Abschuss war geglückt (Was, nebenbei, von beachtlichem Schützenglück bzw. -Geschick zeugt).

Die Drohne hatte das Grundstück des Schützen überflogen und dort Familienangehörige des Schützen verfolgt und seine Kinder verängstigt.

Es lag damit

eine drohende sowie eine bereits eingetretene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG vor, welche weiter intensiviert und aufgrund mehrerer anwesender Personen vervielfältigt zu werden drohte. 

Daneben ging das Gericht davon aus, dass der Drohnenpilot auch Straftatbestände verwirklicht habe, u.a. § 201a StGB (“Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen”). Auch Vorschriften der LuftVO waren verletzt worden.

Ein Fall der Notwehr nach § 32 StGB lag allerdings nicht vor, denn die Drohne gehörte dem Piloten nicht. Der Schuss traft damit nicht das Eigentum des Angreifers sondern dass eines unbeteiligten Dritten. Für diesen Fall kommt § 228 BGB (“Defensivnotstand”) als Rechtfertigung in Betracht. Dabei spielt zwar (im Gegensatz zur Notwehr) die Verhältnismäßigkeit doch wieder eine Rolle. Die sah das Gericht aber als gewahrt an:

Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im Rahmen des § 228 BGB dem Betroffenen grundsätzlich auch die Flucht zumutbar sein soll, ist in diesem Fall zu sehen, dass hierdurch die drohende weitere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes allenfalls verringert, nicht aber vollständig abgewendet werden kann. Eine Absicherung des umfriedeten Grundstücks des Angeklagten nach oben hin wird man diesem kaum zumuten können. Auch ist nicht ersichtlich, durch welche milderen Maßnahmen die sich in 5 m – 15 m Höhe befindliche Drohne hätte zur Angriffsbeendigung entfernt werden können. Soweit vereinzelt vorgeschlagen wird, Drohnen könnten mit einem Gartenschlauch zu Boden gebracht werden, stellt dies aus der Sicht des Gerichts keine geeignete Maßnahme dar, zumal auch in diesem Fall davon ausgegangen werden muss, dass die Drohne zerstört werden würde.

bb) Der Abwehrschaden steht zu der drohenden Gefahr nicht außer Verhältnis.

Einerseits ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Drohne vollständig zerstört wurde. Ihr Wert beträgt nach den Angaben des Herrn R. 1.500,00 EUR. Jedoch ist hier zu sehen, dass der Sache von vornherein ein Makel anhaftet, da die Gefahr von ihr ausgeht (Leipold/Tsambikakis/Zöller, 2. Auflage 2015, § 34 StGB Rn. 11). Hinzu kommt, dass dem Überflug jedenfalls der weitere Makel des Verstoßes gegen § 21b LuftVO anhaftete.

Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass – würde die Beeinträchtigung der Nutzbarkeit eines 980 qm großen Grundstücks etwa in einem zivilrechtlichen Streit um eine Entschädigung beziffert – der Wert kaum unter dem Betrag i. H. v. 1.500,00 EUR liegen würde (vgl. auch AG Potsdam, Urteil vom 16.04.2015, Az.: 37 C 454/13, Streitwertfestsetzung auf 4.000,00 EUR). Weiter ist zu sehen, dass der Eingriff vorliegend durch das „Verfolgen“ der Ehefrau des Angeklagten sowie die überaus geringe Höhe des Fluges vorliegend eine deutlich über eine bloße Lästigkeit hinausgehende Intensität erreichte (vgl. hierzu auch AG Potsdam, Urteil vom 16.04.2015, Az.: 37 C 454/13 zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den zivilen Drohnenflug). Zutreffend weist auch etwa das Amtsgericht Potsdam in Bezug auf den dortigen Sachverhalt (a. a. O.) darauf hin, dass es sich (bei dem privaten Drohnenflug) nicht um eine kindlich-unschuldige Freizeitbeschäftigung wie etwa das Drachensteigen lassen oder ein Modellflugzeug handelt, sondern um eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch eine kameraausgestattete Drohne. Insofern muss berücksichtigt werden, dass sich der Angeklagte und seine Familie durch die Einfriedung des Grundstückes erkennbar gegen Blicke von außen zu schützen bemühen. Ein Eingriff in einen derart privaten und grundrechtlich geschützten Bereich als Rückzugsort ist nach Auffassung des Gerichts nicht hinnehmbar, sodass der Abwehrschaden in der Abwägung zurücktreten muss.

Nun ist das Amtsgericht Riesa kein Obergericht und ich lehne Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung auch aus grundsätzlichen Erwägungen auch und vor allem gegenüber Nachbarn ab.

Man/frau könnte sich ansonsten ja auch einfach mal auf Bierchen oder einen Hugo treffen und die Sache besprechen. Man sollte also nicht immer gleich mit Kanonen auf Drohnen schießen.

Unter bestimmten Umständen könnte man aber.

Über Stephan Dirks

Stephan Dirks ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheberrecht & Medienrecht und Inhaber der Kanzlei DIRKS.LEGAL.

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