Urteil: BGH beendet Urheberrechtsspuk um #Fototapeten -Nutzung (Update vom 11.9.24)

(KI-generierte Grafik)

Es hatte sich in der mündlichen Verhandlung bereits angedeutet, am 11.9.2024 hat der BGH nun in den dort anhängigen Fototapetenfälle zu Gunsten der Beklagten und gegen den klagenden Fotografen entschieden: Die Nutzung von handelsüblichen Fototapeten als Hintergrund – etwa bei der Produktion von Foto- oder Videomaterial – ist auch ohne ausdrükliche Lizenz zulässig, da in dem Inverkehrbringen der Tapete eine so genannte “schlichte Einwilligung” auch in die Nutzung zu diesem Zweck liegt.

In der Pressemitteilung des BGH dazu vom 11.9.2024 heißt es:

Das Berufungsgericht ist in allen Verfahren in rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung und im Einklang mit der Lebenserfahrung davon ausgegangen, dass die Vervielfältigung durch Anfertigung von Fotografien und Videoaufnahmen in mit Fototapeten dekorierten Räumen sowie das Einstellen dieser Fotografien und Videos im Internet – sowohl zu privaten als auch zu gewerblichen Zwecken – üblich ist und damit im für den Urheber vorhersehbaren Rahmen der vertragsgemäßen Verwendung der Fototapeten lag. Dem Urheber steht es frei, im Rahmen des Vertriebs vertraglich Einschränkungen der Nutzung zu vereinbaren und auf solche Einschränkungen – etwa durch das Anbringen einer Urheberbezeichnung oder eines Rechtsvorbehalts – auch für Dritte erkennbar hinzuweisen. Daran fehlte es in den Streitfällen.

Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass sich auch die im Verfahren I ZR 140/23 in Anspruch genommene Web- und Medienagentur auf eine wirksame konkludente Einwilligung berufen konnte. Die Wirksamkeit einer Einwilligung setzt nicht voraus, dass sie gegenüber demjenigen erklärt wird, der in Urheberrechte eingreift. Ausreichend ist ein Verhalten des Berechtigten, dem aus der Sicht eines objektiven Dritten die Bedeutung zukommt, dass der Berechtigte den Eingriff in seinen Rechtskreis gestattet. Nicht nur die Käufer von ohne Einschränkungen veräußerten Fototapeten, die ihre Räumlichkeiten damit dekorieren, Fotografien und Videoaufnahmen dieser Räume fertigen und diese im Internet einstellen, können sich auf eine konkludente Einwilligung des Urhebers in die dabei erfolgende Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der für die Fototapete verwendeten Fotografie berufen. Vielmehr können sich auch Dritte auf eine konkludente Einwilligung des Fotografen stützen, wenn ihre Nutzungshandlungen aus objektiver Sicht als üblich anzusehen sind. 

Der Bundesgerichtshof hat außerdem die in allen Verfahren getroffene Annahme des Berufungsgerichts gebilligt, dass Ansprüche wegen Verletzung des Urheberbenennungsrechts gemäß § 13 Satz 2 UrhG nicht bestehen, weil der Urheber im Rahmen des Vertriebs der Fototapeten auf dieses Recht durch schlüssiges Verhalten verzichtet hat.

Der Bundesgerichtshof erweitert damit die Rechtsprechung zur so genannten “schlichten Einwilligung” um eine weitere Fallgruppe (und öffnet so wohl auch die Tür für eine entsprechende Argumentation in vielen anderen Fällen). Im konkreten Fall mag sich das gut und richtig anfühlen – ob die Entscheidung im Sinne der Rechtssicherheit ist, kann durchaus bezweifelt werden.

Es hatte sich in der mündlichen Verhandlung bereits abgezeichnet:

(Video: Erste Eindrücke nach der mündlichen Verhandlung, externer Link führt zu vimeo.com).

Der I. Zivilsenat hatte in der mündlichen Verhandlung am 27.6.24 bereits sehr deutlich durchblicken lassen, dass er zumindest in zwei der drei zur Entscheidung anstehenden Fällen dazu neigte, eine sog “schlichte Einwilligung” gemäß den Grundsätzen der Vorschaubilder-Rechtsprechung (BGH I ZR 69/08 – Vorschaubilder I; BGH I ZR 140/10 – Vorschaubilder II) anzunehmen.

So wird es also in vielen Konstellationen weiter bzw. wieder möglich sein, Fototapeten rechtmäßig in Videos und Fotografien im Internet wiederzugeben.

Für weitere Details wird an dieser Stelle auf den Podcast “Jurafunk”, hier die Folge Nr. 161, verwiesen.

Stephan Dirks

Stephan Dirks ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheberrecht & Medienrecht und Inhaber der Kanzlei DIRKS.LEGAL.

2 Gedanken zu „Urteil: BGH beendet Urheberrechtsspuk um #Fototapeten -Nutzung (Update vom 11.9.24)

  1. Wenn jemand seine Wohnung vermieten will, geht es ihm doch in erster Linie nicht um die Abbildung einer Tapete im Hintergrund, sondern um die Darstellung der Räumlichkeiten. Warum dann für eine im Hintergrund als Beiwerk befindliche Tapete Lizenzkosten aufgerufen werden können sollten, erschließt sich selbst mir als Berufsfotograf nicht.

    Spinnt man die Sache nämlich weiter, könnte ja jeder Hersteller von gemusterten Tapeten auch Lizenzkosten für Abbildungen von seiner im Hintergrund befindlichen Tapete verlangen.

    1. Beiwerk ist die Fototapete in den jetzt zur Entscheidung anstehenden Fällen wohl nicht. An der “gemusterten” Tapete besteht aber mutmaßlich gar kein Urheberecht. Die abfotografierte Steinmauer ist auch keine Kunst, aber ein Foto. Das genießt wegen § 72 UrhG eine Sonderbehandlung (Privilegierung) und ist nach dem UrhG geschützt, ohne Kunst zu sein. Das kann man kritisieren (und das tue ich auch in Jurafunk Nr. 160 unter https://www.jurafunk.eu/2024/06/26/jurafunk-nr-160-gangnachkarlsruhe-die-fototapete-kommt-vor-den-bgh/), aber so ist es.

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