Der eine oder andere ist vielleicht bereits über diese Meldung bei heise online gestolpert, die dazu geeignet (und vielleicht auch bestimmt) erscheint, die Gemüter zu erhitzen; Scheiterhaufen von DTV-Taschenbuchausgaben “UrhR” wurden allerdings bislang zum Glück weder in Köln noch anderswo entdeckt. Was ist passiert?
Kurz gesagt:
Ein Hotel hatte über die üblichen Buchungsplattformen im Internet ein Hotelzimmer beworben. Das Hotelzimmer war mit einer Fototapete tapeziert. Auf der Fototapete war eine Blume fotografisch abgebildet. Das Blumenfoto hatte einen Fotografen. Der fand, dass seine Urheberrechte durch das Hotelzimmerbuchungsangebot mit Foto im Internet verletzt wurden. Das Landgericht Köln gab ihm Recht (Urt. v. 18.08.2022, Az. 14 O 350/21 ).
Der von mir wirklich und unironisch von Person bekannte und geschätzte Fachwanwalt für IT-Recht und Justiziar des Heise-Verlags Jörg Heidrich kommentiert die Sache in dem oben verlinkten Text so:
“Die Entscheidung des Landgerichts zeigt eindrucksvoll, wie wenig das reichlich überzogene Urheberrecht inzwischen für einen angemessenen Interessenausgleich der Beteiligten sorgt”, kommentiert heise-Justiziar Joerg Heidrich das Kölner Urteil, “Im Endeffekt verlangt das Gericht hier ernsthaft von dem Käufer einer Tapete, sich vorab mit der Lizenzierung der abgebildeten Fotos auseinanderzusetzen. Es muss prüfen, ob er Fotos seiner Wohnung, auf der der Wandschmuck zu sehen ist, überhaupt ins Netz stellen darf. Versäumt er dies, droht eine Abmahnung und eine Zahlung im mittleren vierstelligen Bereich. Nicht nur dieser Fall zeigt, dass in vielen Bereichen die Ansprüche aus dem Urheberrecht viel zu weit gehen und Missbrauch Tür und Tor geöffnet sind.”
Hierfür wird der Kollege sicherlich eine Menge Applaus bekommen, und zwar nicht nur im Heise-Forum – um das zu ahnen, muss ich da gar nicht reinschauen (Aber der geneigte Leser darf, klar). Und ein Geschäftsmodell, das nicht auf der Lizenzierung der eigenen Werke sondern auf der Abmahnung von solchen Verstößen basiert, finde ich auch nicht sympathisch.
Aber: Haltet ein.
Zum einen meine ich, dass Gerichte schon daran gebunden bleiben sollten, was das Recht so hergibt. Und auch wenn das Foto des Hotelzimmers “nur” dazu bestimmt gewesen sein mag, das Zimmer zu veranschaulichen, so kommt man im konkreten Fall nicht daran vorbei, dass es einigermaßen fernliegend erscheint, hier “unwesentliches Beiwerk” anzunehmen (§ 57 UrhG). Denn Beiwerk ist eben nur, wenn das abgebildete Werk den Charakter des Fotos nicht ändert; denkt man es sich weg und das Foto ist dasselbe, hat man Beiwerk und braucht keine Lizenz.
Für eine erste Einschätzung kann man den eigenen Daumen benutzen und ihn so vor das eigene Gesicht halten, dass das abgebildete Werk nicht mehr zu sehen ist. Ist das Foto dasselbe? Dann Beiwerk, unwesentlich. Wenn nicht: Lizenzpfilcht. Ohne Lizenz Unterlassungsanspruch und alles.
Problem nun: Die Methode geht im vorliegenden Fall schon nicht so recht, weil die Tapete mit der Blume eben zentrales Element des fraglichen Fotos ist; soll der Daumen die Blume verdecken, ist das Bild quasi weg, ‘tschuldigung – man kommt um die Erkenntnis kaum herum, meine ich.
Hiervon kann sich jederman und jederfrau ein Bild machen (pun intended), denn das Urteil des LG Köln enthält ja die Fotos, die ich hier “aus Gründen” nicht wiedergebe. Obwohl ich das natürlich dürfte (§ 51 UrhG). Aber möchte ich das unbedingt irgenjemandem ausführlich darlegen müssen? Nein. Also:
Auch eine Argumentation, nach der der Verkäufer einer Werkkopie (Hier: Fototapete) irgendwie schon damit rechnen muss, dass das ganze früher oder später in gewerblichem Kontext im Internet auftaucht, ist aus meiner Sicht ganz einfach von der Rechtslage nicht gedeckt. Denn hier gilt im Zweifel die Zweckübertragungs- bzw. Übertragungszweckgedanke.
Danach ist zu fragen Was wussten die Parteien? Was machten sie zur Grundlage ihres Vertrages?
Und an der Stelle kann eben auch nicht unerwähnt bleiben, dass das beklagte Hotel, wie dem Kölner Urteil zu entnehmen ist …
“die streitgegenständliche Fototapete im Jahre 2013 über den F-Shop „C“ zum Kaufpreis von 13,50 EUR“
… kaufte.
Wer an der Stelle als geschäftlich handelnde Person einfach mal unbedingt glauben möchte, dass in 13,50 € auch gleich die Lizenz für “Internet” enthalten ist, kann das meinetwegen gern machen. Er muss sich dann aber ganz vielleicht nicht wundern, wenn sich dieser Glaube später als Wunschdenken herausstellt.
Wäre es denn unmöglich gewesen, sich im Vorwege über die entsprechenden Rechte zu orientieren oder hierüber gar irgendeine Vereinbarung zu treffen?
Oder das Foto für die Werbung in einem der 100 Zimmer aufzunehmen, das nicht die komische Blume an der Wand hat? Geschah dies vielleicht deshalb nicht, weil jemand die komische Blume als besonders buchungsfördernd einschätzte? Und wenn ja: Wäre das nicht ganz vielleicht etwas, an dem man den Fotografen der Blume teilhaben lassen sollte? Über Tapetenpreis hinaus?
Disktuieren kann, nein muss man das wenigstens, wie ich meine.
Tatsächlich ein Problem sind an der Stelle aus meiner Sicht ohnehin weniger die Grundsätze des Urheberrechts sondern vielleicht die auch vom Kollegen Heidrich oben angesprochenen Lizenzschadensersatz-Summen im Fotobereich.
Denn die machen die Sache doch letztlich aus Sicht des Fotografen erst attraktiv.
Wobei hier einmal festgehalten werden sollte: Die 1.003,00 €, die in Köln ausgeurteilt wurden, sind eben kein Lizenzschaden, es handelt sich hier um Anwaltskosten für die Abmahnung. Ja, gut, die mag man auch zu hoch finden (Sind sie natürlich nicht, zwinki-zwonki), aber sie kommen dem Fotografen gar nicht zu Gute (und sie wären bei Klärung der Rechtelage vorab auch nicht angefallen).
Über die Höhe des Schadensersatzes für den Fotografen hat das LG Köln hier nämlich noch gar nicht entschieden. Das kommt erst noch.
Und so lange viele Gerichte noch immer diese – Entschuldigung – vollkommen hinrissigen “MFM-Honorarempfehlungen” (mehr dazu z.B. hier) bei Berufsfotografen zumindest “indiziell” heranziehen, bleibt das Geschäftsmodell “Fotoabmahnung” eben auch für “Berufs-“Fotografen attraktiv, die noch nie einziges Foto zu einem auskömmlichen Honorar verkaufen konnten*.
Der Bundesgerichtshof hat an der Stelle mit der Sportwagenfoto-Entscheidung (BGH, 13.09.2018 – I ZR 187/17) leider bei weitem noch nicht für ausreichende Klarheit gesorgt, wie ich bei den Mondpreisen, die für banalste Fotos in banalster Nutzung immer noch aufgerufen und auch gerichtlich zugesprochen werden, tagtäglich sehe. Da müsste man mal ran.
Und könnte auch.
*)zur Klarstellung: Ich unterstelle dem Fotografen im Kölner Fall weder, dass er nach der MFM-Liste abrechnen möchte, noch dass er noch nie ein Foto verkauft hat; und dass er kein anderes Geschäftsmodell habe, als Fototapeten abmahnen zu lassen, unterstelle ich natürlich auch nicht.
Update:
Man beachte in diesem Zusammenhang auch ein Urteil des LG Düsseldorf (Urt. v. 19.4.2023 – 2 O 129/22). Ähnlicher Sachverhalt, aber gegenteilige Entscheidung.
Hmm, interessanter Ansatz, aber nein, absolut nein, niemand der eine Tapete für 13.50 € kauft und kein Urheberrechtsjurist ist, hat sich jemals in der Geschichte der Menscheit darüber Gedanken gemacht, ob darin eine Lizenz für “Internet” enthalten ist. Absolut niemand.
Was soll ich dazu sagen, es mag so sein oder auch nicht – ich kann mich ja nicht ausreichend in jemanden hineinversetzen, der kein Urheberrechtsjurist ist. Genau wie Sie allerdings :).
Ich kann! Und mir scheint hier das Grundproblem zu liegen:
“Wer an der Stelle als geschäftlich handelnde Person einfach mal unbedingt glauben möchte, dass in 13,50 € auch gleich die Lizenz für “Internet” enthalten ist, kann das meinetwegen gern machen. Er muss sich dann aber ganz vielleicht nicht wundern, wenn sich dieser Glaube später als Wunschdenken herausstellt.”
Es geht hier nicht um glauben oder nicht glauben, sondern um Nichtwissen. Sie unterliegen dem Irrtum, dass Menschen, die sich nicht tagtäglich mit Urheberrecht beschäftigen, auch nur einen Gedanken an die Frage verschwenden, ob in einem käuflich erworbenen Produkt eine Lizenz “Internet” enthalten ist. Das tun sie nicht, egal ob geschäftlich oder privat.
Einverstanden, Ironie nur mit Zwinkersmiley. Mach ich.
Also:
Ich glaube bei allem Respekt nicht, dass Ihre “Irrtumsthese” stimmt. Und nehmem Sie es mir bitte nicht übel, dass ich auch Ihnen die Kenntnis des “Maßstabsbürgers” nicht abnehme. Entgegen Ihrer Annahme und wohl auch der Annahme des werten Kollegen Heidrich sitze ich ja nicht im Juristen-Elfenbeinturm und schreibe komische Briefe, sondern ich trete tagtäglich mit diesem von Ihnen bemühten Otto-Normalmenschen in den Austausch. Und zwar von Berufswegen.
“Hands-On-Erfahrung” nennt man das wohl. Und da ist diese Ansicht, nach der Juristen und wohl auch Richter regelmäßig keine Ahnung davon haben, wie irgendwas funktioniert oder wie der Normalo so Sachen sieht, viel seltener als man denken könnte, wenn man Sie so liest.
Wenn ich mal Google bemühe, dann komme auch ich relativ schnell darauf, dass sogar die IHK von sonstwo bereits jahrelang Merkblätter zum Thema Urheberrecht und Beiwerk herausgibt.
Und ob sein (ggf. Tapeten-) Hintergrund ein Urheberrechtsproblem darstellt, fragt jedenfalls _mich_ jeder 0815-Streamer regelmäßig bereits im Erstgespräch.
Abschließend dazu also meine Herren: Dieses “Es kann ja keiner ahnen, was sich die weltfremden Juristen so ausdenken” ist schon nicht sehr originell – es ist aber jedenfalls nach meiner Erfahrung falsch und was den Glauben an die Ahnungslosigkeit “normaler” Menschen angeht, auch, nunja: ziemlich weltfremd.
Super ich werde nun auf solche Tapeten verzichten. Ironischerweise wollte ich in meinem Wohnzimmer so eine Tapete kleben.
Diese Tapete hätte auf einer Fläche von 5×360 kleben sollen und hätte fast 500 Euro gekostet.
Danke für Ihren Artikel.
Wir sind eine Agentur und ich muss auch widersprechen, auch wenn wir mehr wissen als “Normale”
Denn das Zimmer wurde irgendwann von einem Architekten oder Ausstatter eingerichtet, die Tapete hat Handwerker Z angebracht und das fotografiert später Fotograf X für Agentur Y die beide gar keine Ahnung habe, was das für eine Tapete ist, woher die kommt und ob die evtl. einem Urheberrecht unterliegt. Der Hotelier hat 100 % gar keine von der Materie. Wenn wir da anfangen, dann dürfen wir nicht mehr stagen, denn die Kanne ist von Alessi, die Vorhänge von … jeder hat sein Design geschützt und sogar der Schreiner hat ein recht auf seine Möbel.
Wenn ich demnächst ein Foto von einem Restaurant mach, muss ich erst mal prüfen ob die Bilder von IKEA an der Wand nicht auch dem Urheberrecht unterliegen und wenn dann noch Postkarten von Kunden an der Pinnwand hänge, dann sind die auch geschützt usw….. irgendwo hört der Spaß auf …