Kein Urheberrecht mehr für Fotos und Grafiken unter 125 KB?

Die DSM-Richtlinie, ihr ehemaliger „Artikel 13“ und späterer “Artikel 17” sind inzwischen Gesetz und die Diskussionen über die Haftung der Betreiber von „Uploadplattformen“ ist aus der breiten Öffentlichkeit weitgehend verschwunden. Für mich etwas überraschend scheint sich die Diskussion einiger Aspekte sogar etwas zu drehen: Die DSM-Richtlinie und ihr „Artikel 13/17“ sollen, so hört man hier und da, dazu führen, dass Fotos und Grafiken, die weniger als 125 KB groß sind, „frei verwendet“ werden können. Das klingt interessant. Allerdings: Wenn es etwas zu schön klingt, um wahr zu sein, dann ist es meistens – genau.

Schluss mit “Artikel 13”

Bevor ich auf die wundersamen 125 KB zu sprechen komme, würde ich vorschlagen, dass wir die Formulierung, nach der „Artikel 13/17“ dies und das verbiete oder erlaube, langsam einmotten. EU-Richtlinien gelten nicht direkt, sondern sind ein verbindlicher Gestaltungsauftrag an den nationalen Gesetzgeber. Der muss also das, was die EU-Richtlinie vorgibt, umsetzen (und hat dabei durchaus einen gewissen Spielraum, die Richtlinie gibt nur Mindeststandards vor). Das ist der Hauptunterschied zur Verordnung (bekannt aus Klassikern wie der „Datenschutz-Grundverordnung“, die bekanntermaßen direkt gilt).

Der Deutsche Gesetzgeber ist seiner Umsetzungspflicht nun – zumindest formell – gerecht geworden, er hat die DSM-Richtlinie also in nationales Recht umgesetzt. Einerseits, indem verschiedene vorhandene Gesetze (z.B. das UrhG) entsprechend angepasst wurden.

Andererseits, und dies betrifft vor allem die Regelungen, die Art. 13/17 der DSM-Richtlinie vorsieht, wurde auch ein ganz neues Gesetz geschaffen: Das Urheberrechts-Dienstanbietergesetz. Richtig, das klingt ganz schön gewöhnungsbedürftig. Sogar in der Kurzform: „UrhDaG“ lautet die und man soll sie als Akronym aussprechen. Ich weiß es nicht.

UrhDaG: Blocken, aber bitte nicht overblocken

Das UrhDaG hat nun die vor allem die Aufgabe, Verantwortlichkeit von Diensteanbietern von „Uploadplattformen“ für „nutzergenerierte“ Inhalte zu regeln. Es geht also darum, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Diensteanbieter (sagen wir: „Google“ oder „Facebook“) nutzergenerierte Inhalte (sagen wir: Postings von Nutzern in Form von Text, Fotos, Videos oder Musik) auf einer Uploadplattform (sagen wir: Youtube, Facebook oder Instagram) blockieren oder genau dies sein lassen muss.

Einer der wesentlichen Kritikpunkte an der Systematik der nun im UrhDaG umgesetzten Regelungen zur Verantwortlichkeit von Diensteanbietern ist ja die Furcht vor „Overblocking“, also davor, dass mehr Inhalte gesperrt werden, also notwendig (dass das nicht der einzige Kritikpunkt ist, ist dem Autor dieser Zeilen klar, aber es geht hier ja gerade nicht um die Frage, was politisch wünschenswert ist).

(Unter anderem) das Overblocking soll das UrhDaG verhindern, was auf einen Blick in § 7 und § 8 UrhDaG deutlich wird:

Kriterien für “mutmaßlich erlaubte” Inhalte

Sofern automatisierte Verfahren angewendet werden (ja, genau, das böse Wort mit „U“ am Anfang und „r“ am Ende) gibt das Gesetz dem Diensteanbieter Kriterien an die Hand, anhand derer entschieden werden soll, in welchen Fällen das automatisierte Verfahren besser nicht blockt, sondern diese Inhalte jedenfalls bis zum Ende des Beschwerdeverfahrens online lässt.

Diesen Kriterien liegt die Überlegung zu Grunde, dass es Fälle gibt, die bereits auf den ersten Blick wahrscheinlich entweder ohnehin rechtmäßig sind oder wenn nicht, eher eine Bagatelle darstellen. Dies versucht § 9 UrhDaG zu regeln, wenn es von Werken spricht, die „nur geringfügig“ genutzt werden. Was „geringfügig“ in diesem Zusammenhang heißen soll, steht in § 10 UrhDaG.

Konkret in dessen Abs. 2 Nr. 2:

Die folgenden Nutzungen von Werken Dritter gelten als geringfügig im Sinne des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, sofern sie nicht zu kommerziellen Zwecken oder nur zur Erzielung unerheblicher Einnahmen dienen:

1. Nutzungen bis zu 15 Sekunden je eines Filmwerkes oder  Laufbildes,
2. Nutzungen bis zu 15 Sekunden je einer Tonspur,
3. Nutzungen bis zu 160 Zeichen je eines Textes und
4. Nutzungen bis zu 125 Kilobyte je eines Lichtbildwerkes, Lichtbildes oder einer Grafik

In Nr. 4 kommen nun unsere 125 KB vor. Diese 125 KB sind heiß umstritten. Allerdings ergibt sich aus der Gesetzesbegründung und auch der Gesetzessystematik eines aus meiner Sicht ziemlich klar:

Diese „Bagatellgrenze“ hat den Zweck, einen Ausgleich zwischen Rechteinhabern und Nutzern in Bezug auf den Einsatz von Uploadfiltern auf Uploadplattformen zu schaffen, also for allem in Social Media. Sie will nicht und kann nicht Inhalt und Reichweite des Urheberrechts definieren.

Das UrhDaG regelt nach seiner Systematik, seiner Struktur und auch schon der Überschrift nach die „Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten“ und nicht die Frage, was ein Werk und was eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung ist.

Der Gesetzesbegründung entnehmen wir konkret zur Geringfügigkeit und zur „125 KB“-Grenze:

§ 10 UrhDaG-E bestimmt für nutzergenerierte Inhalte (§ 9 Absatz 2 UrhDaG), bis zu welchem Umfang die Nutzung von fremden Werken noch als geringfügig (§ 9 Absatz 2 Nummer 3 UrhDaG-E) und damit als mutmaßlich gesetzlich erlaubt gilt, sofern sie weder kommerziellen Zwecken noch zur Erzielung nicht unerheblicher Einnahmen dient. Wenn kleinere Auszüge aus fremden Werken zu sonstigen Zwecken mit anderen Inhalten kombiniert werden (§ 9 Absatz 2 Nummer 2 und 3 UrhDaG-E), liegt es nämlich nahe, dass diese Nutzung ohnehin nach § 5 Absatz 1 UrhDaG-E gesetzlich erlaubt ist, weil es sich zum Beispiel um ein Zitat oder einen Pastiche handelt. Die gesetzliche Vermutung des § 9 Absatz 2 UrhDaG-E, dass es sich um eine erlaubte Nutzung handelt, kann im Beschwerdeverfahren überprüft werden. Bei Missbrauch erlaubt § 14 Absatz 4 UrhDaG-E zudem die sofortige Blockierung des nutzergenerierten Inhaltes. […]

Für Abbildungen bestimmt § 10 Nummer 4 UrhDaG-E die maximal zulässige Dateigröße mit 125 kB. Auch dieser Wert schafft einen Ausgleich zwischen den Interessen der Rechtsinhaber und der Nutzer. Er erlaubt eine effektive Kommunikation der Nutzer, die nach Maßgabe von § 9 Absatz 2 Satz 2 UrhDaG-E – bis zu dieser Dateigröße – Fotos oder Grafiken vollständig nutzen können, denn Teilnutzungen, d. h. die Nutzung von Ausschnitten, wären ohne Sinnverfälschung häufig praktisch kaum möglich. Zugleich handelt sich aber auch um einen Wert, der am unteren Ende der typischen Dateigröße für nutzergenerierte Inhalte anzusiedeln ist.

BT-Drs. 19/27436

Die Frage, ob nun „Artikel 13/17“ eine freie Verwendung von Grafiken oder Fotografien erlaube, wenn diese nur kleiner als 125 KB seien, ist aus meiner also Sicht ganz klar mit „Nein“ zu beantworten.

Zutreffend ist, dass solche Inhalte – unter den weiteren Voraussetzungen nach § 9 Abs. 2 UrhDaG! – nicht automatisiert blockiert werden dürfen bzw. bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens online zu bleiben haben. Dieser Interessenausgleich sagt aber über die Frage, ob die jeweilige Nutzung das Urheberrecht verletzt, überhaupt nichts aus – und diese Frage regelt das UrhDaG eben auch nicht.

Über Stephan Dirks

Stephan Dirks ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheberrecht & Medienrecht und Inhaber der Kanzlei DIRKS.LEGAL.

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