Seit mehreren Monaten kursierten „Abmahnungen“ wegen eines angeblichen Datenschutzverstoßes durch Einbindung von Google Fonts. Tausende Nutzer der kostenlosen Google-Schriftarten waren betroffen. Seit unserem letzten Beitrag, in dem wir bereits angedeutet hatten, dass die Google-Fonts-Abmahnungen auf keiner rechtlichen Stütze basieren, ist einiges passiert.
Die LHR Rechtsanwälte erwirkten beim LG Baden-Baden eine einstweilige Verfügung gegen einen der Abmahner. Rechtsanwalt von der Heyden erstritt im Wege der negativen Feststellungsklage ein Urteil vor dem AG Berlin-Charlottenburg. Direkt am nächsten Tag nahm die Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des (teils) versuchten Abmahnbetruges und der (versuchten) Erpressung in mindestens 2.418 Fällen ihre Ermittlungen auf.
Nun aber der Reihe nach:
Einstweilige Verfügung gegen Google-Fonts-Abmahner
Bereits im Oktober erließ das LG Baden-Baden (Beschluss vom 11.10.2022, Az. 3 O 227/22) eine einstweilige Verfügung gegen den Abmahner Martin I. Diese verbiete es ihm, “einen Partnerbetrieb des Franchise-Systems der Antragstellerin mit Forderungen im Zusammenhang mit der Einbindung von „Google Fonts“ zu kontaktieren (…).” Bei einem Verstoß droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten.
Gericht hält Rechtsmissbräuchlichkeit von Google-Fonts-Abmahnungen für möglich
Das AG Berlin-Charlottenburg entschied, dass dem Abmahner Martin I. kein Schadensersatzanspruch aus der Verwendung von Google-Fonts durch einen Webseitenbetreiber zusteht (Urteil vom 20.12.2022, Az. 217 C 64/22). Im Falle der dynamischen Einbindung von Google-Fonts komme zwar ein Datenschutzverstoß in Betracht, sofern die Übertragung der IP-Adresse des Seitenbesuchers ohne vorherige Einwilligung erfolgt (siehe Beitrag auf diesem Blog). Ein Schadensersatzanspruch steht dem “Verletzten” aber nicht zu – weder “aus § 823 BGB noch aus der DSGVO oder unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt“. Zudem hält das Gericht die Masche der Abmahnenden dann für rechtsmissbräuchlich, wenn sich der vermeintlich Geschädigte eine Einnahmequelle durch das massenhafte Versenden von „Abmahnungen“ schafft. Vorliegend wurden derartige Umstände in großem Umfang geltend gemacht, weshalb ein Rechtsmissbrauch nach Ansicht des Gerichts durchaus vorliegen könnte.
Razzia bei Berliner Rechtsanwaltskanzlei – 346.000 Euro sichergestellt
Tags darauf gab die Berliner Staatswaltschaft bekannt, dass sie gegen zwei Beschuldigte wegen des Verdachts des (teils) versuchten Abmahnbetruges und der (versuchten) Erpressung in mindestens 2.418 Fällen (!) ermittelt. Laut Staatsanwaltschaft haben bereits circa 2.000 Personen die Abmahnung bezahlt. Dabei haben die beiden Beschuldigten 346.000 Euro eingenommen. Diese wurden in zwei Arrestbeschlüssen sichergestellt.
Es wird den Beschuldigten vorgeworfen, dass sie die Webseiten, die die Google-Fonts dynamisch (ohne Einwilligung datenschutzwidrig) eingebunden haben, zunächst mittels einer eigens programmierten Software identifiziert haben. Anschließend haben sie erneut unter Nutzung eine dafür entwickelten Software die Webseitenbesuche fingiert. In dieser Weise sollen sie darüber getäuscht haben, dass eine Person die Webseiten besucht hat. Dies führt auch dazu, dass indirekt über die geltend gemachte Persönlichkeitsrechtsverletzung getäuscht wurde.
Ist die Google-Fonts-Abmahnwelle nun endgültig vorbei?
Das Urteil und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dürften Eindruck hinterlassen haben, nicht nur bei den hier beteiligten Anwälten und deren Mandanten. Auch mögliche Trittbrettfahrer dürften die Kalkulation des Unternehmens “beliebig skalierbare Abmahnwelle” noch einmal neu durchdenken. Ein wenig fühlt man sich an die “Redtube”-Streaming-Abmahnungen erinnert, die vor einigen Jahren aufhorchen ließ. Auch die damalige Welle hatte für die Beteiligten Folgen (Spoiler: Es handelt sich bei den Folgen nicht um “Reichtum”, “ein Leben frei von finanziellen Sorgen” und “die Auszeichung zum Anwalt des Jahres”).
Jedenfalls diese Abmahnwelle dürfte damit gebrochen sein – und das Thema “Google-Fonts” für ähnliche Modelle erst einmal “verbrannt”.
Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die dynamische Einbindung von Google-Fonts ohne Einwilligung der Besucher immer noch einen Datenschutzverstoß darstellt, die einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einzelne Webseitenbesucher tatsächlich abmahnen, da sie sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt sehen.
Daher sollten Sie, sofern noch nicht geschehen, Google-Fonts lokal in die Webseite einbinden, da sie bei einem Aufrufen der Internetseite dann aus dem eigenen Speicherplatz lädt und die IP-Adresse nicht an die Google-Server übertragen wird.