Sommer, Sonne, Markenrecht: Eissorten unter Verdacht

Sommer, Sonne, 25 Grad – der Sommer ist endlich da! Und damit gibt es glücklicherweise jeden Tag einen guten Grund, in der Mittagspause oder nach Feierabend einen Zwischenstopp in der Eisdiele einzulegen. Na gut: Fast jeden Tag, denn Montag ist bei meiner Geheimtipp-Eisdiele, die ein Geheimtipp und damit ungenannt bleiben wird, Ruhetag.

Aber woran denkt der thematisch vorgeprägte Jurist beim Schlemmen von, sagen wir: „After Eight“-, „KINDER Schokolade“- oder „SNICKERS“-Eis wohl?

Richtig geraten: „Abmahnungen“ und „Markenrecht“.

Denn wenn man einmal beginnt, darauf zu achten, kann man damit kaum wieder aufhören:

Man geht eigentlich an keiner Eisdiele vorbei, ohne dass dort Eissorten in (angeblichen) Geschmacksrichtungen von Markensüßigkeiten angeboten werden. Und die ziemlich selten, gefühlt: genau niemals als „Schokolade mit Erdnuss und Karamell“, „dunkle und weiße Schokolade mit Vanille-Kick“ oder „Minze mit Schokoladenkrümeln“ angepriesen werden. Sondern eben: Mit aus Film und Fernsehen bekannten Markennamen. Manchmal noch garniert mit einem gestalteten Schildchen in Markenoptik oder einer Schokoriegel-Verpackung und geschmacklich oftmals wirklich erstaunlich nah am „Original“. Und gleichzeitig alles „hausgemacht“. Wie ist das nur möglich?

Also: Naturgesetzlich ist das natürlich ohne weiteres möglich, klar. Eine kurze Rezeptrecherche bei Google ergibt im Wesentlichen zwei Wege zum Eis mit Markengeschmack. Den ersten würde ich als den „generischen“ bezeichnen: Man nimmt handelsübliche Zutaten aus dem Eiszutatenhandel und mischt sie so zusammen, dass sie irgendwie an das Original rankommen. Also sagen wir im Fall von „After Eight“: Man macht Pfefferminzeis und mischt Zartbitterschokolade unter. Und dann nennt man es eben so, wie man es nennt.

Oder aber man tut, was ich die „derivative Methode“ nennen würde: Es wird als mehr oder minder wesentliche Grundzutat das Originalprodukt eingesetzt und das ganze dann (mit anderen Zutaten) zu Eis verarbeitet. Dann ist im nachgebauten „SNICKERS“-Eis zumindest wirklich auch „SNICKERS“ drin.

Meine Frage ist damit aber nicht beantwortet. Denn natürlich frage ich mich, ob und wie es eigentlich rechtlich „geht“, dass das hausgemachte Pfefferminz-Schokoladen-Eis z.B. „After Eight“ heißt. Mit anderen Worten: Könnte es vielleicht sein, dass markenrechtlich verboten ist, was alle, aber wirklich: so gut wie alle Eisdielen landauf landab machen?

Schokoriegel-Eissorten: Natürlich Markenrecht, Nutzung nur mit Lizenz

Denn klar ist: Meine drei Beispiele sind markenrechtlich geschützt. Um mal konkret bei „SNICKERS“ zu bleiben, hier gibt es zum Beispiel die Wortmarke „SNICKERS“ (Im Markenregister zum Nachlesen: https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/1072157/DE), die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis explizit auch „Eiskrem“ aufführt. Und ein SNICKERS-Eis gibt es auch bei Rewe und Edeka in der Eistruhe zu kaufen. Die Inhaberin der Marke – die Mars GmbH aus Verden – kann es also Dritten verbieten Eis so zu nennen wie die Marke. Ein SNICKERS-Eis ist damit im Grundsatz nur rechtens, wenn eine Erlaubnis der Mars GmbH vorliegt, eine gefrorene Schokolade-Erdnuss-Karamell-Mischung auch so zu nennen.

Und ich kann das natürlich nicht völlig ausschließen. Es ist ja theoretisch möglich, dass ungefähr alle Eisdielen im Land zunächst bei der Mars GmbH angerufen und freundlich um die Erlaubnis gebeten haben, SNICKERS-Eis herzustellen und so eine (am besten noch kostenlose) Markenlizenz erworben haben.

Es ist aber praktisch gleichzeitig völlig ausgeschlossen. Denn natürlich wird ein normal tickender Markinhaber niemals Lizenzen für ein Produkt vergeben, dass er selbst auf demselben Markt vertreiben möchte. Und noch weniger wird er für seit Jahrzehnten weltbekannten Marken Lizenzen vergeben, ohne die Qualität der Produkte sicherzustellen. Denn „SNICKERS“ ist eben „SNICKERS“ und soll es sicherlich auch bleiben.

Diese Möglichkeit scheidet also aus.

Ich habe aber zwei Absätze weiter oben die Worte „im Grundsatz“ nicht ohne Grund kursiv gesetzt. Denn wenn der Jurist „Grundsatz“ sagt, meint er damit ja, dass die Ausnahme folgen könnte.

Also: Könnte es irgendwelche Ausnahmen im Markenschutz geben, die es den Eisdielen doch wieder erlauben, den Markennamen zu verwenden?


Der markenrechtliche Erschöpfungsgrundsatz

Wenn die Eisdiele um die Ecke sich im Großhandel eine Palette mit „SNICKERS“-Eis verschafft, darf sie diese natürlich weiterverkaufen und dann auch „SNICKERS“ dranschreiben. Das ist der Inhalt des markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes, § 24 Abs. 1 MarkenG: Wenn der Markeninhaber ein Produkt in Verkehr bringt, kann er den Weiterverkauf unter seiner Marke nicht verbieten.

In § 24 Abs. 2 MarkenG findet sich allerdings schon wieder eine Einschränkung dieses Grundsatzes: Der Markeninhaber kann doch wieder was dagegen haben, wenn die in Verkehr gebrachten Produkte verändert wurden oder der Zustand sich verschlechtert hat. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück.

Jedenfalls bei meiner „derivativen“ Herstellungsvariante (Originalprodukt als Zutat im „hausgemachten Markeneis“ vorhanden) könnte man aber die Frage stellen, warum man nicht „SNICKERS“ dranschreiben darf, wenn auch „SNICKERS“ drin ist.

Aber die Antwort ist relativ klar: Eis mit geschredderten SNICKERS-Riegeln drin ergibt eben kein SNICKERS-Eis. „SNICKERS“-Eis ist nur das, was der Markenrechtsinhaber auch selbst so nennt oder was mit seiner Zustimmung als „SNICKERS“ in den Verkehr gebracht wird. Das sind z.B. die Schokoriegel und das Eis aus der Eistruhe bei Rewe und Edeka.

Das hausgemachte Eis bei der Eisdiele um die Ecke ist (im besten Fall) irgendwas mit SNICKERS-Schokoriegeln (oder auch -Eis) drin. Aber eben kein „SNICKERS“-Eis. Und auch wenn § 24 Abs. 2 MarkenG wohl nicht direkt Anwendung findet (weil es sich bei Schokoriegeln als Vorprodukte und Eis als Endprodukt schon nicht mehr um dasselbe Produkt, sondern etwas ganz anderes handelt), ist die Wertung klar:

Der Markeninhaber hat rechtlich geschütztes Interesse daran, dass niemand seine Produkte zu etwas ganz anderem verwurstet und dann seinen Markennamen dranschreibt.

Für die „generische Variante“ (Markeneis-Nachbau ohne Markenprodukt als Zutat)  gilt dies natürlich erst recht.

Einen kleinen Ausweg bietet zwar noch § 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, wonach es erlaubt ist, eine Marke als Beschaffenheitsangabe zu nutzen. Es ist also zulässig, darauf hinzuweisen, dass „SNICKERS“-Riegel in einem Eis enthalten sind (wenn dies der Fall ist). Auch dann, und das stellt § 23 Abs. 2 MarkenG mit dem Hinweis auf „die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“ klar, muss aber darauf geachtet werden, dass eben keine Kennzeichnung des Produkts mit der geschützten Marke geschieht.

Ergebnis meiner frühsommerlichen Markenprüfung damit:

Bei den Produkten, die man in der typischen Eisdiele so als „hausgemachtes Markeneis“ bekommt, dürfte es sich meistens um markenrechtswidrige Plagiate handeln. Fälle, in denen das zu teuren Abmahnungen oder einstweiligen Verfügungen geführt hätte, sind auf meinem Schreibtisch noch nicht aufgeschlagen. Wenn man nach so etwas recherchiert, erfährt man aber: Es gibt sie wohl (und sowas kann teuer werden).

Es ist natürlich auch möglich, dass Eis-Markeninhaber so etwas nicht besonders stringent verfolgen.

Darauf verlassen sollte man sich als Eisdielen-Entrepreneur allerdings nicht, denn ja: Es gibt Dinge, die verboten sind und dies es auch dann bleiben, wenn alle das auch so machen.

Ich selbst habe mir im Sinne der Rechtspflege nun auferlegt, von mir festgestellten Rechtsverletzungen, soweit meine Kapazitäten ausreichen, weiterhin dadurch zu begegnen, dass ich die rechtswidrig hergestellten Produkte an Ort und Stelle in möglichst großen Mengen dem bestimmungsgemäßen Verbrauch zuführe.

Damit dürfte ja letztlich auch den Markeninhabern geholfen sein, Stichwort „Vernichtungsanspruch“, § 18 Abs. 1 MarkenG.

Guten Appetit.

Über Stephan Dirks

Stephan Dirks ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheberrecht & Medienrecht und Inhaber der Kanzlei DIRKS.LEGAL.

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