Art. 17 DSM-Richtlinie: EuGH setzt enge Grenzen für Uploadfilter

Der EuGH hatte, wie bereits in dieser Vorbesprechung diskutiert, zu entscheiden, ob Art. 17 DSM-RL mit dem Unionsrecht vereinbar ist. “Artikel 17”,“DSM-Richtline”: Was war das noch?

Die DSM-Richtlinie war die heftig umstrittene Urheberrechtsreform von 2019, die das “veraltete” Urheberrecht an das digitale Zeitalter anpassen und den Urhebern für ihre Inhalte im Netz eine angemessene Vergütung zusichern sollte. Besonders um den Art. 17 DSM-RL wurde heftig diskutiert, da Plattformbetreiber wie YouTube oder Facebook schon beim Hochladen (Upload) prüfen müssen, ob Inhalte urheberrechtlich geschützt sind. Bei der enormen Anzahl von Uploads, die z.B. YouTube oder Facebook tagtäglich zu verzeichnen haben, ist das Erfüllen dieser Pflicht ohne den Einsatz von Filtern nahezu unmöglich. Dies birgt wiederum die Gefahr, dass mehr als nötig herausgefiltert wird. Da viele Kritiker die Meinungs- und Informationsfreiheit durch ein drohendes “Overblocking” in Gefahr gesehen haben, demonstrierten alleine in Berlin Zehntausende gegen diesen Artikel 17. Aber wie sieht der EuGH diese Problematik?

Was hat der EuGH zu den “Uploadfiltern” gesagt?

Zunächst stellte der EuGH fest, dass die Plattformen – abhängig von der Anzahl, wie viele Dateien hochgeladen werden – gezwungen werden, die sogenannten “Uploadfilter” einzusetzen. Dadurch werde nach Ansicht des EuGH die freie Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit beschränkt. Er erkennt ebenso die Gefahr des “Overblockings”, da solche Filter nicht in der Lage seien, zuverlässig zwischen Urheberrechtsverletzungen und legitimen Formen der freien Meinungsäußerung (Pastiche, Parodien, Zitate) zu unterscheiden. Daher seien Filter, die nicht zwischen einem unzulässigen und Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheiden können, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. In der Folge bedeutet dies, dass der EuGH den Einsatz von Uploadfiltern auf offensichtliche Urheberrechtsverletzungen beschränkt.

Die Einschränkung in die freie Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit sei nach Ansichten der Richter aber insgesamt gerechtfertigt, da Art. 17 DSM-RL “angemessene Garantien” vorsehe, um diese Grundrechte zu wahren. So können Nutzer gegen die Plattformbetreiber vorgehen, wenn sie rechtmäßige Inhalte sperren. Umgekehrt können die Urheber nur den Schutz ihrer Werke verlangen, wenn sie den Plattformbetreibern “die einschlägigen und notwendigen Informationen über diese Inhalte übermitteln”. Auch nur dann können die Plattformbetreiber haften.

Welche Auswirkungen hat das Urteil auf Deutschland?

Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst zwischen einer EU-Richtlinie und einer EU-Verordnung differenziert werden. EU-Verordnungen, wie z.B. die im Mai 2018 in Kraft getretene DSGVO, gelten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unmittelbar und verbindlich. Inhaltlich wirken sie also direkt wie Gesetze.

EU-Richtlinien wirken demgegenüber grundsätzlich nicht unmittelbar, sondern müssen zunächst von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgewandelt werden. Dabei bleibt es den Mitgliedstaaten selber überlassen, wie sie die Richtlinien umsetzen. Es verbleibt dementsprechend ein gewisser Gestaltungsspielraum; erst wenn die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, wirken auch Richtlinien direkt.

Deutschland hat Art. 17 DSM-Richtlinie mit der Einführung des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes (UrhDaG) in nationales Recht umgesetzt. Der EuGH hat die Klage gegen Art. 17 abgewiesen, sodass das Urteil auf den ersten Blick keine Auswirkungen auf die Umsetzung hat. Der EuGH hat in dem Urteil jedoch noch darauf hingewiesen, dass es schlussendlich Aufgabe der EU-Mitgliedstaaten sei, bei der Umsetzung von Art. 17 darauf zu achten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den geschützten Grundrechten sicherzustellen. Hat der deutsche Gesetzgeber dieses Gleichgewicht durch das UrhDaG ausreichend sichergestellt?

Diese Frage kann nicht rechtssicher beantwortet werden. Das Urteil zeigt zumindest, dass das UrhDaG grundsätzlich den richtigen Ansatz verfolgt, indem es Vorkehrungen enthält, die die Nutzung von Zitat, Parodie, Pastiches und Karikatur absichern. Darüber hinaus gibt es Regelungen, die unverhältnismäßige Blockierungen durch automatisierte Verfahren vermeiden sollen. So gelten Uploads von Ausschnitten geschützter Werke mit einer Länge von weniger als 15 Sekunden als mutmaßlich erlaubt. Ob das Gesetz schließlich den Vorgaben des EuGH entspricht, werden neue Urteile klären dürfen. Nach hier vertretener Auffassung dürfte die deutsche Umsetzung diesen Vorgaben entsprechen.

Bewertung und Ausblick

Es ist zu begrüßen, dass der EuGH nun zumindest in der Hinsicht Klarheit geschaffen hat, als dass Uploadfilter grundsätzlich erlaubt/erforderlich sind. Kritiker dürfen ebenso zumindest teilweise aufatmen, da der EuGH den Uploadfiltern, die nicht zwischen Pastiches, Parodien oder Karikaturen unterscheiden können, eine klare Absage erteilt hat. Der EuGH hat die Frage offen gelassen, inwieweit die Schranken von den Mitgliedstaaten ausgestaltet werden können. Sind die Schranken als präventive Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt (pro freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit) zu verstehen? Oder eher als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (pro Schutz vor Urheberrechtsverletzungen)?

Insgesamt war dieses Urteil zu erwarten. Das Streitthema der Uploadfilter ist dadurch aber längst noch nicht vorbei.

Mehr Informationen zur Entscheidung gibt es in der Pressemitteilung des EuGH.

Über Malte Gendries (LL.B.)

Malte Gendries ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei DIRKS.LEGAL.

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