In aller Regel haben‘s Zivilrechtler gern ja eher gern gemächlich. Wenn man sich außergerichtlich nicht einigen kann, wird geklagt. Dann gibt es (meistens) ein schriftliches Vorverfahren, man schickt eine Weile Schriftsätze hin und her und nach einem halben bis Dreivierteljahr sieht man sich mal vor dem Richter. Überall dort, wo es um Unterlassungsansprüche geht, ist das allerdings etwas anders. Oftmals drängt die Zeit, da die Rechtsverletzung noch andauert und Rechtsstreitigkeiten werden im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ausgetragen (und oft genug durch eine entsprechende einstweilige Verfügung auch endgültig beendet).
Hier spielen eidesstattliche Versicherungen eine große Rolle, da diese oftmals das einzig verfügbare Mittel darstellen, mit dem ein Verfügungskläger die Voraussetzungen seiner Ansprüche „glaubhaft machen“ kann. Um die Abenteuer, die man mit „eidesstattlichen Versicherungen“ erleben kann, soll es heute gehen.
Die eidesstattliche Versicherung ist im Prinzip nichts anderes als eine Erklärung desjenigen der sie abgibt darüber, dass darin versicherten Tatsachen richtig sind. Allerdings muss man sehr aufmerksam sein, was man hier unterschreibt: Denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist nach § 156 StGB strafbar, und das nicht nur theoretisch, wie zum Beispiel der berühmt-berüchtigte Bischof Tebartz-van Elst („Business sind wir geflogen“) bereits erfahren musste.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes stellen eidesstattliche Versicherungen auch eine gewisse organisatorische Herausforderung dar. Denn es herrscht ja Zeitdruck bei der Abfassung der Schriftsätze, diese gehen durch einen Abstimmungsprozess mit dem Mandanten und oftmals weiß man erst ganz am Ende, was nun konkret in der eidesstattlichen Versicherung alles drinstehen muss (denn das richtet sich danach, welche Tatsachen z.B. im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Verwendung finden). Man muss dann auch noch schnell an das Original der Versicherung kommen und nicht jeder Mandant wohnt nebenan. Dies führt im ungünstigsten Fall dazu, dass der Mandant nacheinander mehrere eidesstattliche Versicherungen unterschiedlichen Inhalts unterschreibt. Was nicht nur doppelte Arbeit ist sondern auch nicht ganz ungefährlich, denn wenn verschiedene Versionen erst einmal im Umlauf sind, kann es leicht passieren, dass diese auch – und sei es versehentlich – in der falschen Version benutzt werden, was wiederum strafrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.
Es ist daher nicht unüblich, das Verfahren etwas zu vereinfachen. Eine eidesstattliche Versicherung kann nämlich sehr kurz sein, wenn sie die zu versichernden Tatsachen nicht selbst enthält, sondern dafür auf den Schriftsatz Bezug nimmt, in dem die Tatsachen stehen. Der Mandant unterschreibt dann nur eine Erklärung, die in etwa lautet „Der Schriftsatz des Rechtsanwalts XY ist mir bekannt. Der darin geschilderte Sachverhalt trifft zu“. Vorteil: Diese Erklärung muss der Mandant nur ein einziges Mal unterschreiben, egal wie viele Versionen der Schriftsatz erfährt. Nachteil: Manche Gerichte finden das irgendwie zu einfach.
AG Schleswig: „Nicht mit uns!”
Es kann der freundlichste Anwalt nicht in Frieden leben, wenn’s dem Amtsgericht um die Ecke nicht gefällt. Namentlich das Amtsgericht im schönen Schleswig ließ mich jüngst in einem Verfügungsverfahren (Az. 3 C 170/17) auflaufen und folgendes wissen:
Da im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens in aller Regel die Eidesstattliche Versicherung als einziges Mittel zur Glaubhaftmachung zur Verfügung steht, sind an ihren Inhalt hohe Anforderungen zu stellen. (…) Das Gericht ist gehalten, auch und insbesondere eine eidestattliche Versicherung auf Widersprüche und Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Soll eine Anhörung der Gegenseite aus Dringlichkeitsgründen unterbleiben, fehlt eine Abgleichungsmöglichkeit durch den Vortrag der Antragsgegnerseite. Eine eidesstattliche Versicherung, aber, die sich wie vorliegend darin erschöpft, auf einen anwaltlichen Schriftsatz Bezug zu nehmen, ist einer näheren Prüfung nicht zugänglich. (…) Mit der Bestätigung, dass eine Sachverhaltsdarstellung in einem anwaltlichen Schriftsatz auf den Angaben des Mandanten beruht, bleibt unklar, welche Wahrnehmungen und Erlebnisse der Mandant tatsächlich selbst hatte und wie weiter der Rechtsanwalt den Sachverhalt abweichend schildert oder verstanden hat (BGH Beschl. V. 13.1.1988, Az. IV ZB 13/87; OLG Köln, Urteil vom 13.5.2015, 6 W 16/15).
Es soll also die (schriftliche) eidesstattliche Versicherung auf “Widersprüche und Wahrheitsgehalt geprüft” werden können und dazu auf einen Extrazettel geschrieben werden, den der Mandant höchstpersönlich unterzeichnet. Ich persönlich bin gespannt darauf, welche Methoden man da in Schleswig so in petto hat, eine solche Erklärung auf „Widersprüche und Wahrheitsgehalt“ hin zu untersuchen. Pendeln, Wünschelruten – ich kenne mich da nicht so aus.
Was ich aber sicher weiß, ist das es absolut unüblich ist, Mandanten ohne konkrete Hinweise darauf, welche Informationen in einem Verfahren benötigt werden, aufs Geratewohl nach eigenem Gutdünken irgendwelche Geschichten aufschreiben und an Eides statt versichern zu lassen.
Mit anderen Worten: Das, was der Mandant gegebenenfalls auf einem getrennten Blatt unterschreibt oder gar handschriftlich liefert, hätte ihm ebenfalls der Anwalt (hoffentlich) möglichst widerspruchsfrei in die Feder diktiert (selbstverständlich nicht ohne den eindringlichen Hinweis, dass es nur zu unterschreiben ist, wenn es so stimmt).
Mit nochmal anderen Worten: Objektiv ist die Forderung des Gerichts, wie sie in der zitierten Begründung des zurückweisenden Beschlusses zum Ausdruck kommt, albern und völlig nutzlos. Für den Anwalt ist sie dazu umständlich und für den Mandanten letzten Endes sogar gefährlich – und unter anderem deshalb haben wir die sich bietende Gelegenheit zur Klärung hier auch genutzt.
Das Landgericht winkt’s zähneknirschend durch
Und die gab es glücklicherweise und ihm vorliegenden Fall letztinstanzlich. Das Flensburger Landgericht – in Urheberrechtssachen das allein zuständige Landgericht in Schleswig-Holstein – entschied die Frage in unserem Sinne (LG Flensburg, Urt. v. 25.10.2017, Az. 8 T 6/17). Die verkürzte, bezugnehmende Variante reichte aus. Maßgeblich auch, weil der Schriftsatz eine klare Trennung von Tatsachen und rechtlicher Würdigung aufwies und damit keine Unklarheiten darüber entstehen konnten, worauf sich die bezugnehmende eidesstattliche Versicherung bezog – so hatte das auch das OLG Koblenz schon mal entschieden (OLG Koblenz, Beschluss vom 11.11.2004 – 3 W 727/04). In der mündlichen Verhandlung, die aus anderen Gründen als notwendig angesehen wurde, lies das Gericht den Kläger allerdings trotzdem wissen, dass man handgeschriebene (!) eidesstattliche Versicherungen bevorzuge.
Ich bezweifle stark – jedenfalls soweit es um Verfahren geht, die hier geführt werden – dass dieser Wunsch des Gerichts in Zukunft gehört werden wird.
Ein paar Wochen später hatte ich es vor der selben Kammer übrigens mit einer Kanzlei zu tun, die die Mandantschaft tatsächlich brav persönlich und in Schönschrift eidesstattliche Versicherungen verfertigen ließ – mit dem Ergebnis, dass in der mündlichen Verhandlung plötzlich zwei unterschiedliche Versionen von „Anlage 21“ existierten.
Zugegeben: Die konnte man dann wirklich prima auf Widersprüche in Version A und Version B überprüfen …