Der ehemalige hessische Landtagsabgeordnete Daniel M. (Grüne) wehrt sich derzeit gegen die Berichterstattung des Springer-Verlages. Hintergrund ist ein Vorfall, der sich Anfang Juli in einem Regionalexpress von Frankfurt nach Fulda zugetragen haben soll. Bei einer Fahrkartenkontrolle soll M. unter im einzelnen unklaren Umständen irgendwie eine abgelaufene Bahncard vorgezeigt haben, was dieser jedoch bestreitet. Rechtlich spannend wird die Angelegenheit deshalb, weil der Springer-Verlag in einem seiner Texte M.’s Sicht des Vorfalls hinter einer Bezahlschranke versteckt, den Anreißer zum vermeintlichen “Skandal” selbst aber frei zugänglich lässt.
“Grünen Politiker soll Bahn Ticket gefälscht haben
Peinlich, peinlich, Herr Politiker! Kontrolleure erwischten den ehemaligen Grünen Landtagsabgeordneten Daniel M. (27) als Schwarzfahrer. Doch dabei Bleibt’s nicht. Jetzt ermittelt die Polizei gegen den ehemaligen Kommunikationsberater”.
So hieß es auf der frei zugänglichen, kostenlosen Version von “Bild.de”. Der dazugehörige Text und damit auch alles, was M. von dem mit dieser Überschrift verbundenen und sogar strafrechtlich relevanten Vorwurf – Zu denken wäre an Urkundenfälschung, Betrug und Erschleichen von Leistungen – entlasten könnte, war nur auf dem Angebot “Bild Plus” abrufbar. Und damit nur für solche Nutzer, die bereit waren, dafür zu zahlen.
Das Problem: Im Bereich der Verdachtsberichterstattung genießen die Persönlichkeitsrechte des davon Betroffenen sehr hohen Schutz. Immerhin gilt die Unschuldsvermutung und es handelt sich ja gerade nicht um bereits bewiesene Sachverhalte. Aus der Abwägung zwischen Medienfreiheiten und Persönlichkeitsrechten ergibt sich deshalb einerseits das Verbot einer Vorverurteilung des Betroffenen. Diesem Gebot meinen viele Medien regelmäßig mit dem Einschieben des Begriffs “mutmaßlich” und der Abschwächung eines apodiktischen “Er hat’s getan!” in ein Hörensagen (“Er soll’s getan haben!”) gerecht zu werden.
In dem vorliegenden Zusammenhang noch wichtiger: Dem von der Verdachtsberichterstattung Betroffenen muss die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen eingeräumt werden und seine Sicht der Dinge muss in der Berichterstattung auch Erwähnung finden.
Hier stoßen die Vertriebsmethoden der BILD nun allerdings an rechtliche Grenzen, denn der seinem Namen mehr als gerecht werdende Anreißer steht jedenfalls in Zusammenhang mit den “Bild Plus”-Angeboten für sich allein. Entlastendes bleibt für den größeren Teil der Öffentlichkeit verborgen.
Mit dieser Argumentation hat der Kollege Ralf Hoecker für M. beim Landgericht Köln nach verschiedenen Medienberichten nun eine einstweilige Verfügung erwirkt, die sich jedenfalls auch explizit gegen den Anreißer richten soll. Wenn das stimmt (und nicht bereits der vollständige Text die geltend gemachten Unterlassungsansprüche rechtfertigt), könnte dies weitreichende Folgen für die Vertriebsmodelle der Bild-Produkte haben.
Springer hat allerdings Widerspruch gegen die Beschlussverfügung eingelegt, so dass das letzte Wort hier noch nicht gesprochen ist.