Warum “fahrerbewertung.de” genau so überflüssig wie rechtmäßig ist

“fahrerbewertung.de” – So heißt ein Angebot, das in der vergangenen Woche für einige Kontroversen sorgte. Die Onlineplattform ermöglicht es, Autofahrer anhand ihres Autokennzeichens für ihre Fahrweise zu kritisieren (oder auch zu loben), also zu bewerten. Ähnlich wie im Rahmen einer Bewertung bei Ebay umfasst das grobe Raster die Bewertung des Fahrstils (“positiv”, “neutral”, “negativ”), ermöglicht aber auch weitere Angaben (“hat die Vorfahrt missachtet”). “Darf man das?”, fragten sich da einige, unter anderem der NDR.

Dazu gab es auf den Radiosendern der NDR-Sendergruppe – NDR1, NDR Info – am gestrigen Sonnabend ein kurzes Feature, in dem unter anderem der unabhängige Landesbeauftragte für den Datenschutz in Schleswig Holstein etwas länger und ich etwas kürzer zu Wort kamen.

Warum ich einen solchen Dienst im Gegensatz zu Dr. Weichert für zulässig halte, und warum es sich lohnt, dieser Position mehr als einen Satz zu widmen, möchte ich für’s Protokoll hier noch einmal aufschreiben.

Die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gilt auch für nutzlose Meinungen. Manchmal habe ich inzwischen den Eindruck, in der öffentlichen Wahrnehmung hat neben dem “Supergrundrecht Sicherheit” (Friedrich & Co) nur noch ein anderes Grundrecht Platz: Das “Supergrundrecht Datenschutz” (ULD & Co).

Tatsächlich ist es aber so, dass nicht (nur) das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dessen Untergrundrecht das “Datenschutz”-Grundrecht ist, sondern (auch und vor allem) die Meinungsfreiheit geradezu konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist (Grundlegend: BVerfG E 7,198).

Und deshalb gilt dieses Grundrecht auch zunächst einmal für alle Meinungen, egal, ob man sie nun als besonders wichtig oder auch nur nützlich oder sinnvoll für das Gemeinwesen erachtet (und ja: Es dürfte außerhalb der Büros der Betreiberfirma von “fahrerbewertung.de” wohl einigermaßen einhellige Meinung sein, dass der Dienst ziemlich überflüssig ist).

Festhalten kann man rechtlich insoweit aber zunächst einmal folgendes: Die Erfassung und Veröffentlichung von KFZ-Kennzeichen als allgemein zugänglicher Daten, auch mit Ort und Datum, dürfte gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig sein, da kein offensichtliches Interesse der Betroffenen entgegensteht.

Die Bewertung eines “Fahrsachverhalts” mit “positiv”, “neutral” oder “negativ” dürfte darüber hinaus auch keine (ggf. falsche) Tatsachenbehauptung (für deren Vorliegen der Äußernde erst einmal die Beweislast trüge) sein, sondern, wie von den zuständigen Gerichten landauf, landab und laufend z.B. zu “Spickmich” und zu “Ärztebewertungen” entschieden wird, eine nach Art. 5  Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung, die auch noch keine Schmähung darstellt.

Spickmich & Co sind übrigens auch deshalb vergleichbar, weil hier eine Notenbewertung in der “öffentlichen Sphäre” des Fahrers vorgenommen wird. Es wird nur etwas öffentlich besprochen, was ohnehin für jeden offensichtlich ist. Insofern kann, was die Notenbewertung angeht, also auch nicht von einem besonders schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gesprochen werden.

Das mag man bezüglich der ebenfalls möglichen Angabe von tatsächlichen Behauptungen (“Hat mir die Vorfahrt genommen”) anders sehen, jedoch werden diese Dinge auf der Plattform ohnehin nicht den Kennzeichen zugeordnet und mit diesem Bezug veröffentlicht, sondern dienen zur Bildung irgendwelcher Durchschnittswerte für die Heimatstädte der betroffenen Fahrer. Deswegen kann man hier auch kaum von einer “Prangerwirkung” sprechen.

Bleibt noch die Frage, die ULD-Chef Dr. Weichert in dem genannten NDR-Feature (leider nicht online verfügbar)  in rhetorischer Absicht stellt, nämlich die danach, ob es denn wirklich erlaubt sein könne, dass man einfach online anonym in dieser Form öffentlich über andere herzieht.

Diese Frage lasse ich gern das für den Sitz des ULD zuständige Landgericht ausführlich beantworten:

“Die anonyme Nutzung ist dem Internet immanent. Eine Beschränkung der Meinungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen eine Selbstzensur vornimmt und davon absieht, seine Meinung zu äußern (BGH NJW 2009, 2888 ff.; OLG Frankfurt NJW 2012, 2896 f.; OLG Hamm CR 2012, 128 ff.).”

und fasse diese nicht-rhetorische Antwort abschließend so zusammen:

Ja.

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