Das Beste kommt immer zum Schluss: LG Köln zur Nutzung von Produktfotos auf Amazon.de

Das Landgericht Köln kann sich derzeit über mangelnde mediale Aufmerksamkeit wahrlich nicht – Achtung, Wortwitz – beklagen: Erst die Geschichte um die Porno-Stream Abmahnungen, die auf Auskunftsbeschlüssen der Kölner Landrichter beruhten (die inzwischen teils aufgehoben wurden), dann vor ein paar Wochen die Aufregung um ein einstweiliges Verfügungsverfahren, in dem es um Urheberrechtsvermerke  bei Pixelio-Bildern ging. In der vergangenen Woche machte nun erneut ein Urteil des LG Köln aus dem Bereich des Urheberrechts die Runde, welches einen näheren Blick lohnt (Urt. v. 13.2.14, Az. 14 O 184/13).

Die Kölner Landrichter hatten nämlich über die Nutzung von Produktbildern auf Amazon.de zu entscheiden, und zwar über eine Nutzung, die nicht durch den Urheber oder Berechtigten der Fotos selbst geschieht. Was nicht überrascht, denn genau dieser Umstand macht die Angelegenheit ja rechtlich erst interessant.

Hintergrund ist, vereinfacht gesagt, dass auf Amazon.de jedes Produkt mit einer eindeutigen Identifikationsnummer gekennzeichnet wird und auch für jedes Produkt nur  Produktseite gestattet ist. Wie gesagt, man muss den Sachverhalt an dieser Stelle etwas vereinfachen, um ihn blogkompatibel zu machen, das nur als Hinweis an diejenigen, die finden, er sei im Folgenden unzulässig verkürzt wiedergegeben (Nutzen Sie gern die Kommentare für Ergänzungen oder Kritik).

Zurück zum Fall: Sofern ein Produkt von verschiedenen Anbietern über Amazon angeboten wird, nutzen alle Anbieter die selbe(n) Fotografie(n). Demgemäß kann es passieren – und kommt vermutlich nicht allzu selten vor – dass ein Produktfoto zu einem Angebot eines Anbieters eingeblendet wird, welches ursprünglich von einem Wettbewerber hergestellt und auch bei Amazon eingestellt wurde. Oder gleich fünf Fotografien – wie in unserem Fall.

In dem zu Grunde liegenden Fall war dies dem Leistungsschutzberechtigten an dem fraglichen Foto – es ging um so genannte „Soft Air-Munition“ – ein Dorn im Auge. Er ging seinen Konkurrenten zunächst außergerichtlich, dann gerichtlich um Unterlassung an. Und er unterlag, die Klage wurde abgewiesen.

Gute Nachrichten also für Amazon-Marketplace-Teilnehmer:  Ein Haftungsrisiko weniger (aber Obacht, die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig). Kein Wunder, mag man nun meinen. Denn immerhin lauteten ja die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattform in Ziff. A. VIII wie folgt:

 A. VIII Urheberrecht, Lizenz, Nutzungsrechte

Die Teilnehmer übertragen B.de ein vergütungsfreies, zeitlich unbefristetes, umfassendes Nutzungsrecht, insbesondere zur Vervielfältigung, Verbreitung, Bearbeitung an allen Werken oder Werkteilen, sowie Datenbanken oder jedem anderen Katalog oder jeden anderen Produktinformationen, die Teilnehmer im Rahmen des online-Angebots von B.de an B.de übermitteln… einschließlich des Rechts, diese Inhalte mit Printmedien, online, auf CD-ROM, etc. zu publizieren, auch zu Werbezwecken.

Das spannende an dieser Entscheidung ist nun, dass der Kläger nicht etwa unterlag, weil seinen Mitbewerber eine Lizenz über die Nutzungsbedingungen von Amazon eingeräumt worden wäre, wie es anderswo und nicht ganz richtig nachzulesen ist. Denn das ist gerade nicht der Fall: Die AGB sind nämlich, so wie sie da stehen, unwirksam.

Wie kommt es dann dazu, dass der Kläger unterliegt? Nun, in Ihrem 17-DIN-A4-Seiten langen Urteil macht es die 14. Zivilkammer wirklich spannend. Die Entscheidung der Kölner Richter liest sich wie ein guter Krimi: Über zwölf Seiten läuft alles darauf auf ein bestimmtes Ende hinaus, und dann war’s völlig überraschend doch..na.. der Gärtner.

Kostprobe gefällig?

„Der Beklagte hat mit dem Kläger keinen Vertrag über die Einräumung von Nutzungsrechten an den streitgegenständlichen Lichtbildern geschlossen. Der Beklagte ist auch nicht aus abgeleitetem Recht gegenüber dem Kläger berechtigt, insbesondere hat er von B keine Unterlizenz zur Nutzung des streitgegenständlichen Lichtbildes erworben. Der Beklagte hat bereits nicht dargelegt, dass eine solche Übertragung von Nutzungsrechten mit der Befugnis zur Unterlizensierung (sic) in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Betreibers der Internetplattform a. vereinbart worden sei, so dass die Wirksamkeit einer solchen Rechteübertragung hier dahinstehen kann (verneinend in einem vergleichbaren Fall Urteil der Kammer vom 16.1.2014 – 14 O 378/13).

Die Illustrierung der Angebote des Beklagten in Lichtbildern des Klägers auf der Internetseite a.de war auch nicht deswegen rechtmäßig, weil die Einbindung von Seiten Bs erfolgte und B in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen (Ziff. A. VIII der Teilnahmebedingungen) die Einräumung umfassender und Nutzungsrechte an B einschließlich des Rechtes zur kommerziellen Nutzung, auch zu Werbezwecken vorsieht. (…) Die allgemeinen Geschäftsbedingungen in den wie ein nicht ausschließliches, jedoch umfassendes und unentgeltliches Nutzungsrecht an den Materialien der Teilnehmer eingeräumt wird, sind gemäß §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 2 Nummer 1 BGB unwirksam“.

(Hervorhebung von mir)

Okay. An dieser Stelle sieht der juristisch vorgebildete Leser kurz auf und fragt sich, ob er das alles auch wirklich richtig verstanden hat.

Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattform, also die Bedingungen von Amazon.de, räumen der Plattform eine Lizenz ein.

Amazon.de lizenziert wiederum an jeden Dritten, der die Plattform nutzt.

Allerdings: Huch, die Bedingungen sind unanwendbar. Denn sie benachteiligen den Urheber oder Leistungsschutzberechtigten unangemessen, was sich unter anderem daraus ergibt, dass sie mit wesentlichen Grundgedanken der §§ 11, 32 Urhebergesetz – diese Vorschriften befassen sich v.a. mit der angemessenen Vergütung des Urhebers – unvereinbar sind. Soweit so gut, auch alles nachvollziehbar.

Aber Moment: hatte ich nicht auf Seite 1 der Entscheidung gelesen, dass die Klage abgewiesen worden ist? Und hatte ich das nicht auch oben geschrieben? Augenblick, nochmal nachsehen. Doch, doch, das stimmt, da steht: „die Klage wird abgewiesen“.  Also mal weiterlesen, vielleicht klärt sich die Sache noch auf.

Auf Seite 15 beginnt sich der Nebel dann zu lichten: obwohl der Beklagte, wie das Gericht seitenlang ausführlich prüft und ausführt, in keiner Art und Weise irgend ein Nutzungsrecht vom Kläger erworben hat und deshalb eigentlich davon ausgegangen werden müsste, dass die Nutzung des klägerischen Fotomaterials rechtswidrig war (und der Klage damit stattgegeben werden müsste ) – wurde es dann doch nichts mit dem Anspruch des Klägers.

Denn: der Kläger habe die entsprechende Werknutzung, Trommelwirbel:

„schuldrechtlich gestattet“.

Ausdrücklich verweist die Kammer hier auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Vorschaubildern im Internet (BGH, Urteil vom 29.4.2010, I ZR 69/08 –  Vorschaubilder I), denn genau so liege der Fall hier:

Der Beklagte hat, ebenso wie der Kläger, die Bedingungen von B akzeptieren müssen, um überhaupt als Händler an der Plattform teilnehmen zu können. Dabei war beiden Parteien das von B standardmäßig praktizierte Listen identischer Produkte und die Zusammenführung gleichartiger Produktseiten bekannt. (…) Der Kläger hat auch keine Maßnahmen getroffen um ein gemeinsames Listen von Angeboten oder sein Produktbilder zu verhindern, z.B. indem er den Lichtbildern einer entsprechenden Kennzeichnung versah.“

(Hervorhebung von mir)

Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich: dieselben „Bedingungen“, die zuvor seitenlang als rechtswidrig und wesentlichen Grundgedanken des Urheberrechts widersprechend gebrandmarkt werden, dienen nun dazu, festzustellen: Wer Bilder bei Amazon einstellt, weiß, was er tut und muss mit den Konsequenzen leben.

Man mag das im Ergebnis für sachgerecht halten. Oder aber auch für Spiegelfechterei, der auch mit der Materie regelmäßig befassten Juristen noch sehr wenig abgewinnen können. Denn warum eine Vertragsklausel so grob benachteiligend sein soll, dass sie selbst unter Unternehmern nicht mehr wirksam in AGB verwendet werden kann, gleichzeitig aber bezeugen soll, dass Vertragspartner bei Nutzung eines Dienstes schon wisse, was er tut (und sie deshalb dann irgendwie doch wirksam ist, jedenfalls im Ergebnis) – das überzeugt mich jedenfalls nicht.

Wir werden sehen, ob es dabei bleibt.

 

Über Stephan Dirks

Stephan Dirks ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheberrecht & Medienrecht und Inhaber der Kanzlei DIRKS.LEGAL.

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