ULD ./. Facebook: Die Welt blickt nach Schleswig

Wussten Sie eigentlich, dass der Hauptturm des Schleswiger Doms mit 112 Metern der dritthöchste Kirchturm Schleswig-Holstein ist und es sich bei dieser gotischen Kirche überhaupt um eines der bedeutendsten Baudenkmäler des nördlichsten Bundeslands handelt? Da es bei uns hier im Norden so schön flach ist, können Sie von der Aussichtsplattform fast bis nach Kiel gucken.

Für einen Besuch böte sich, aus Gründen, der  9. Oktober an, denn da bietet die Justiz der Stadt an der Schlei auch noch ein buntes Rahmenprogramm. Wenn Sie morgen nicht kommen, können Sie es aber auch genau andersherum machen und wie der Rest der Social Media Welt nach Schleswig schauen.

Denn am 9. Oktober ist es soweit. Zwei Jahre und knapp zwei Monate nach dem aufsehenerregenden Vorstoß des unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz unter Leitung von Dr. Thilo Weichert, welcher kurzerhand Facebook Fanpages (und Social Plug-Ins) für rechtswidrig und Schleswig-Holsteinische Firmen für diesbezüglich verantwortlich erklärte, wird das Schleswiger Verwaltungsgericht nun die Causa „Facebook-Fanpages“ verhandeln und, so raunt es durch das Twitterversum und ist auch anderswo zu vernehmen, auch gleich entscheiden. Um 10 Uhr  geht’s los, das heißt: In nicht einmal 24 Stunden sind wir alle etwas schlauer. Zeit für eine Rückschau und einen vorsichtigen Blick in die Glaskugel.

Schleswig – Kein Heimspiel für das ULD

Dabei ist die Schleswiger Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zum ersten Mal mit den Zwistigkeiten rund um das soziale Netzwerk Facebook befasst. Unter anderem die auf Facebook herrschende Klarnamenpflicht war den Schleswig-Holsteinischen Datenschützern bereits ein Dorn im Auge und auch bereits einige Reisen in die Wikinger-Stadt wert. Allerdings bislang stets erfolglos: Sowohl vor dem VG als auch vor dem OVG verlor man im Rahmen von Eilverfahren gegen Facebook, da das Verwaltungsgericht deutsches Datenschutzrecht als nicht einschlägig ansah. Allerdings: Diese Entscheidungen dürften so gut wie keinen Einfluss auf das nun laufende Verfahren haben.

Verfügungsadressaten sitzen in Schleswig Holstein

In dem Streit um die Facebook-Fanpages liegt die Sache, schon was die Beteiligten angeht, grundlegend anders.  im Herbst 2011 hatte das ULD begonnen, Schleswig-Holsteinischen Firmen, unter anderem der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein, per Ordnungsverfügung aufzugeben, die von diesen Institutionen betriebenen Fanpages abzuschalten. Die jetzigen Kläger gegen diese Verfügungen stammen also aus dem Hoheitsgebiet des ULD, so dass sich die Frage der Anwendbarkeit deutschen Datenschutzrechts nicht in derselben Art und Weise stellt.

Dreh-und Angelpunkt der zwischenzeitlich rechtshängig gewordenen Angelegenheit ist das in Facebook-Fanpages enthaltene und vom Nutzer nicht abschaltbare Reichweiten-Analysetool „Facebook Insights“. Für die dadurch generierten Nutzerstatistiken erhebt Facebook verschiedene Daten, nämlich beispielsweise IP-Adressen von Nutzern, und liest auch von Nicht-Nutzern Cookies aus, die zuvor gesetzt wurden. Jedenfalls bei den Informationen die in den entsprechenden Cookies gespeichert und ausgelesen werden, handelt es sich wohl um personenbezogene Daten, so dass in sachlicher Hinsicht der Anwendungsbereich des Landes- bzw. Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) eröffnet ist. Andererseits hält das ULD solche Firmen, die Fanpages betreiben, nicht nur für Dienstanbieter im Sinne von § 2 S. 1 Nr. 1 des Telemediengesetzes (TMG), sondern auch für die datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle. Mit anderen Worten und so kurz wie möglich auf den Punkt gebracht: Aus Sicht des ULD bedienten sich Facebook Fanpage-Betreiber nur der Dienste von Facebook, um eigene Daten zu erheben.

Und da diese Datenerhebung und-Nutzung nach Ansicht des ULD unter verschiedenen Aspekten rechtswidrig ist, müssen sich nun Schleswig-Holsteinische Firmen (und nicht etwa Facebook) vor Gericht mit den Datenschützern streiten.

Dabei ließ das Vorgehen des  ULD in der Fachwelt von Anfang an (neben Zustimmung) auch tiefgreifende Zweifel laut werden. Neben Zuständigkeitsfragen – die landesrechtliche Regelung zur Zuständigkeit  für die Ahndung von Datenschutzverstößen im Bereich der Telemedien ist, sehr vorsichtig ausgedrückt, kompliziert. Um nicht zu sagen: Bis zur völligen Unverständlichkeit verworren – entzünden sich diese Zweifel vor allem daran, dass hier die Kunden von Facebook für die Datenverarbeitungspraxis von Facebook zur Verantwortung gezogen werden sollen. Zusammenfassend kann man wohl mit Recht die Frage stellen, ob verantwortliche Stelle im Sinne von § 2 Abs. 2 Landesdatenschutzgesetz SH (entspricht § 3 Abs. 7 BDSG) wirklich sein kann, wer auf den fraglichen Datenverarbeitungsvorgang faktisch nicht einwirken kann (außer in der Weise, dass er die Fanpage löscht). Dies wird wohl eine der Kernfragen sein, über die das Gericht am 9.10. (oder später) entscheidet.

Wie wird’s ausgehen?

Die Sache erscheint bislang offen. Allerdings scheinen mir doch einige gewichtige Argumente dagegen zu sprechen, dass der Betreiber einer Facebook Fanpage als Kunde von Facebook für die Datenverarbeitungspraxis der Plattform als verantwortlich angesehen werden kann. Letztlich wirkt die Argumentation im Ergebnis schlicht wie ein Kunstgriff, vermittels welchem der um öffentlichkeitswirksame Kampagnen nie verlegene oberste Schleswig-Holsteinische Datenschützer die eigene Zuständigkeit in der Sache zu begründen sucht. So gesehen hege ich die Erwartung, dass auch dieses Auswärtsspiel in Schleswig für das ULD verloren geht (Update, 10.10.13: Und so ist es dann auch gekommen).

Und wenn nicht?

Aber natürlich kann alles ganz anders kommen, und dann wären Facebook-Fanpages auf einmal gerichtlich bestätigt rechtswidrig. Zumindest in Schleswig-Holstein. Fanpagebetreiber müssten sich wohl einstweilen damit behelfen, wenn sie die entsprechenden Angebote nicht abschalten wollten, die Verantwortlichkeiten außerhalb Schleswig-Holsteins anzusiedeln, um sie so dem Zugriff des ULD zu entziehen – in Widerspruchsverfahren hatte sich dieses Vorgehen bereits als funktionierender Taschenspielertrick erwiesen. Allerdings wäre, soweit Facebook sein Angebot nicht anpasste, dann wohl auch damit zu rechnen, dass Dr. Weicherts Beispiel Schule macht und andere Landesdatenschutzbeauftragte ähnliche Kampagnen lancierten. Allein: Für wirklich wahrscheinlich halte ich einen solchen Ausgang nicht.

Über Stephan Dirks

Stephan Dirks ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheberrecht & Medienrecht und Inhaber der Kanzlei DIRKS.LEGAL.

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