Kein Schulunterricht für Facebook-Verweigerer

Wie auf Golem.de berichtet wird, sind offenbar in Braunlage Schüler von einer Unterrichtsstunde ausgeschlossen worden, weil deren Eltern nicht der Veröffentlichung von Fotos der teilnehmenden Schülern auf Facebook zustimmen wollten. Das ist einerseits geradezu unglaublich. Andererseits geschieht ähnliches an deutschen Schulen wohl viel häufiger – und die Ahnungslosigkeit regiert viel umfassender.

Dazu fällt mir ein, dass ich vor ein paar Wochen als Referent auf einer Veranstaltung zum Thema “Social Media und Recht”, in der unter anderem vom “Recht am eigenen Bild” die Rede war, aus dem Publikum gefragt wurde, ob es eigentlich ausreichend sei, wenn eine Schule alle Eltern aller Klassen am Beginn des Schuljahres eine pauschale Einwilligungserklärung dahingehend unterzeichnen lasse, dass sie mit der Veröffentlichung von Fotos “der Schüler im Internet” einverstanden wären.

Die Fragerin war Schuldirektorin. So versuche ihre Schule, das für die Lehrkräfte lästige Verfahren der Einholung von Einwilligungen im Einzelfall – zum Beispiel eben bei Veranstaltungen – zu vermeiden.

Natürlich, ich habe pflichtgemäß über informierte Einwilligungen gesprochen und darüber, dass Veröffentlichungszweck und ggf. in manchen Konstellationen auch AGB-Kontrolle hier eine Rolle spielen; Aber als ich darauf hinwies, dass sich mir bei dieser Idee auch jenseits des Medienrechts geradezu die Haare sträuben, erntete ich nur verständnislose Blicke.

Es ist schon erstaunlich, wie wenig Sensibilität noch immer herrscht, wenn es um Kinderfotos im Internet und in sozialen Netzwerken geht.

Manche Eltern setzen gar das erste Blog für ihren Nachwuchs bereits auf, da ist der noch gar nicht auf der Welt.

Und die ersten Nacktfotos kursieren bereits für jedermann zugänglich – in den besten Absichten, natürlich – bevor der kleine Wurm zum ersten mal feste Nahrung zu sich genommen hat. Dabei ist inzwischen längst zur Binsenweisheit geworden, dass, was einmal den Weg ins Netz gefunden hat, dort nie wieder wirksam gelöscht werden kann. Das Netz vergisst nichts. Niemals.

Entsetzt bin ich aber eben auch darüber, wie an vielen Schulen – Also einem Ort, dem sich Kinder wegen der Schulpflicht nicht entziehen können – das Einwilligungserfordernis als Formalismus wahrgenommen wird, das man nur irgendwie “abhaken” muss, am besten noch über den Kopf der Kleinen hinweg.

Zurück zum auf Golem.de geschilderten Ausgangsfall, der die Sache ja auf die Spitze treibt, indem, man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen: die Erlaubnis zur Unterrichtsteilnahme an die Einwilligung in die Bildveröffentlichung gekoppelt wird.

Hierzu lässt sich Dr. Thilo Weichert (ULD) wie folgt zitieren:

“Die zwangsweise Animation von Kindern, ein Medium zu nutzen, das für diese weder rechtlich vorgesehen und erlaubt noch geeignet ist, müsste meines Erachtens nicht nur öffentlich kritisiert, sondern aufsichtlich gerügt werden.”

Recht hat er.

Über Stephan Dirks

Stephan Dirks ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheberrecht & Medienrecht und Inhaber der Kanzlei DIRKS.LEGAL.

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