Vor ein paar Wochen saß ich in einer interessanten Diskussion über die spannende Frage, ob und inwieweit Schülern der Gebrauch von Smartphones in der Schule verboten werden sollte. Besonders aufschlussreich war die Diskussion deshalb, weil sich neben Juristen und Eltern auch mehrere Lehrer unter den Diskutanten befanden, sowie glücklicherweise sogar ein Vertreter des hiesigen Kultusministeriums.
Es kann vieles zur Sprache: Abwägung von Kommunikationsfreiheiten gegenüber Persönlichkeitsrechten Dritter einerseits, eine möglichst frühzeitige Schulung und Vermittlung von Medienkompetenz gerade auch in Bezug auf „gefährliche“ Geräte wie Smartphones oder andere mobile Gerätschaften andererseits. Statistiken über „Cyberbullying“, also das Mobbing unter Zuhilfenahme von internetfähigen Geräten und insbesondere den neuen, sozialen Medien wurde ebenfalls diskutiert und bewertet.
Am Ende der Runde hatte wohl keiner der Beteiligten seine grundsätzliche Einstellung geändert, aber interessante Einblicke hatten alle mitgenommen.
In diesem Zusammenhang bin ich in den vergangenen Tagen wieder einmal über ein Phänomen gestolpert, das sich immer öfter in meinen Timelines aber auch auf öffentlich zugänglichen Webseiten zeigt:
Ebenso wie andere Berufsgruppen nutzen Lehrer die sozialen Medien zunehmend auch, um Einblicke in ihren Berufsalltag zu geben. Sie machen damit natürlich keine Ausnahme, im Endeffekt tue ja ich dasselbe, während ich diese Zeilen schreibe.
Allerdings fielen mir hier nicht allgemeine pädagogische Erörterungen über Gott und die Welt auf, sondern das Veröffentlichen von konkreten Sachverhalten aus dem Unterrichtsalltag. Denn ebenso wie andere Berufsgruppen, etwa Rechtsanwälte, haben auch Pädagogen Zugang zu Sachverhalten, die den persönlichen Lebens-und Geheimbereich Dritter, nämlich der Schüler, im Kern berühren.
Dies beginnt schon beim Posten von drolligen Bildern, die zum Beispiel Grundschüler während der Schulzeit malen, durch Lehrkräfte.
Derartiges geschieht, soweit meine eigene Beobachtung hier verallgemeinerungsfähig ist, relativ häufig. Dabei ist selbstverständlich, dass auch Grundschulkinder Inhaber der Urheberrechte an von ihnen hergestellten Werken sind. Und an den Werkcharakter, das dürfte allgemein bekannt sein, sind keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Auch sind Schüler keine Arbeitnehmer: Der Schule steht also nicht etwa, wie dem Arbeitgeber, ein umfassendes Nutzungsrecht an den während der Schulzeit gefertigten Werken der Kinder zu.
Im Unterschied allerdings zu Erwachsenen können Kinder noch nicht einmal wirksam Nutzungsrechte an ihren Werken an Dritte übertragen. Nun mag man noch darüber streiten, wie es mit bestimmten Verwertungsrechten aussieht (Ausstellung in der Aula usw.); klar ist m.E. jedoch, dass es absolut unzulässig sein dürfte, ohne wirksame Einwilligung der gesetzlichen Vertreter der entsprechenden Schulkinder im Unterricht gemalte Bilder oder auch im Unterricht geschriebene Aufsätze – auch auszugsweise – in sozialen Netzwerken oder sonstwo online zu veröffentlichen.
Letzteres geschieht nach meiner Beobachtung besonders häufig, wenn darin vermeintlich „lustige“ Rechtschreibfehler enthalten sind. Das Urheberrecht dürfte demgemäß an dieser Stelle sogar noch das kleinere Problem sein.
Das größere stellen wohl in solchen und anderen Fällen die nicht-urheberrechtlichen Persönlichkeitsrechte der betroffenen Schüler dar.
Denn, auch wenn derartige Postings regelmäßig nicht Namen und Vornamen der Verfasser von zum Beispiel fehlerhaften Aufsätzen oder Krakel-Bildern beinhalten, so ist doch allgemein anerkannt, dass dies gar nicht zwingend notwendig ist, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zu begründen.
Im Ergebnis genügt nämlich als Identifikationsmerkmal jeder Gesichtspunkt, der geeignet ist, eine bestimmte Person identifizierbar zu machen, und sei es auch nur für Personen aus ihrem eigenen Lebensbereich (sogar bestimmte Schuhe).
Wenn nun Frau Mustermann, Klassenlehrerin der Klasse 3A an der Gesamtschule Hambug-Lurup, eine vermeintlich anonymisierte „Arbeitsprobe“ eines Schülers oder einer Schülerin bei Facebook postet, dann dürfte jedenfalls für Mitschüler und andere Personen aus dem engeren Lebensbereich des oder der Betroffenen schon Anhand des Schriftbildes klar sein, wer da so seine liebe Not mit der Rechtschreibung hat.
Eine solche Bloßstellung muss natürlich niemand dulden – auch ein Zehnjähriger nicht. Die Abwägung zwischen Kommunikationsfreiheiten und Persönlichkeitsrecht muss in diesen Fällen ganz eindeutig zulasten des „geschwätzigen“ Lehrers gehen.
In dieser Hinischt ähnlich fällt die rechtliche Bewertung von solchen Online-Projekten aus, wie jenem, auf das ich gestern gestoßen bin: unter einer mehr oder minder lustigen URL findet sich eine Sammlung aus Beispielen von Kindervornamen aus der „Tyler“-, „Kevin“- und „Chantal“-Liga.
Subtext dieses Onlineauftritts ist wohl in etwa die Feststellung: der Apfel falle nicht weit vom Stamm und die Namenswahl habe großen Einfluss auf die Zukunftschancen von Kevin & Co. Und zwar keinen guten: Hartz IV wirft seine Schatten voraus.
So etwas kann man lustig finden. Humor ist ja nicht erlaubnispflichtig.
Aber der Spaß hört jedenfalls bei dem Beispiel auf, das offensichtlich ein Grundschul-Schreibheft zeigt, auf welches der arme Tyler seinen eigenen Vornamen sowie seine Schulklassenzugehörigkeit gekrakelt und dabei nicht ein einziges Wort richtig geschrieben hat.
Das entsprechende Posting kann – auch nach dem hämischen Begleitkommentar, der das Stilmittel der Ironie verwendet, das die meisten Grundschüler noch nicht beherrschen – nur von einer Lehrkraft stammen.
Welche Haltung die entsprechende Pädagogin gegenüber ihren Schülern hier offenbart, will ich gar nicht diskutieren. Klar ist aber, dass ein solches Vorgehen nach dem oben Gesagten rechtswidrig ist. Die Antwort auf die Frage, ob es nicht sogar einen Grund für eine fristlose Kündigung der Lehrerin darstellt, möchte ich den Arbeitsrechtlern überlassen.
Zurück zum Ausgangspunkt, nämlich der Diskussion, inwieweit Gerätschaften wie Smartphones und Ähnliches in der Schule etwas zu suchen haben.
Ich meine, solange es eine signifikante Anzahl Lehrer gibt, die einen verantwortungsvollen Umgang mit neuen, auch sozialen Medien in der Schule nicht vorleben können, können wir auch nicht darauf vertrauen, dass sie ihren Schülern die entsprechenden Kompetenzen vermitteln. Vielleicht wäre hier zunächst einmal anzusetzen.