Medien bestehen in aller Regel aus Inhalten (neudeutsch: „Content“) und aus Werbung. Manche meinen, dass diese begriffliche Trennung schon deshalb unsinnig ist, weil es sich bei dem, was man „Content“ nennt ja letztlich ja nur um eine Masche handelt, den Konsumenten eines Mediums für die darin enthaltene Werbung zu interessieren – und damit gewissermaßen um „Werbung für die Werbung“. Aber das ist eine eher philosophische Frage. Klar scheint: im Zeitalter bezahlter Blogbeiträge und viraler Anzeigen ist beides nicht mehr ganz leicht auseinanderzuhalten. Tatsächlich war es das aber noch nie.
Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen in Printmedien
Das deutsche Recht kannte schon immer „Werbung“ und „Inhalte“. Und beides hatte mehr oder weniger strikt getrennt zu sein. So heißt es, wenn schon nicht seit Menschengedenken, so doch wenigstens seit ihrer Geltung in den Landespressegesetzen. Dort gibt es durchgehend Vorschriften wie diese:
Hat die Verlegerin oder der Verleger eines periodischen Druckwerks für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen, so hat sie oder er diese Veröffentlichung deutlich mit dem Wort „Anzeige“ zu bezeichnen, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist.
(§ 9 Landespressegesetz Schleswig-Holstein)
Die hinter dieser Kennzeichnungspflicht (die keineswegs alle entgeltlichen Veröffentlichungen betrifft, sondern nur solche, denen man ihren kommerziellen Charakter nicht ansieht) stehende Logik ist heute noch so aktuell wie in den 1960-er Jahren, aus denen die meisten Landespressegesetze stammen.
Der Leser soll erkennen können, welches Interesse hinter einer Veröffentlichung steht. Getreu dem Motto: „Wes brot ich ess, des‘ Lied ich sing“ wird eine bezahlte, ein bestimmtes Unternehmen oder Produkt anpreisende Veröffentlichung weniger die um Objektivität bemühte ehrliche Darstellung des Herausgebers eines Mediums sein sondern in der Regel schlicht die Meinung des Unternehmens über sich selbst. Oder sein Produkt. Dies auseinander halten zu können, ist ein zentraler Baustein in einer funktionierenden Medienlandschaft und Meinungsbildung, die ja in einer Demokratie nun einmal auch der Meinungsbildung dient und damit schlechthin konstituierend für die freiheitlich demokratische Grundordnung ist.
Aus Sicht des Verlages liegt das sich daraus ergebende Problem natürlich auf der Hand: Die Werbekunden wissen, dass Ihre Werbung umso effektiver ist, je weniger sie als solche erkennbar ist.
Den entstehenden Zielkonflikt löst man als geschäftstüchtiger Verlag seit jeher -Presserecht hin oder her – dadurch, dass man dem geneigten Anzeigenkunden zum Beispiel zu einer größeren Anzeige – 1/1 Seite vielleicht – eine Seite „Redaktion“ obendrauf gibt.
Der Leser sieht die bezahlte Anzeige und kümmert sich nicht weiter um sie. Einige Ausgaben später erscheint nun ein wohlwollender „redaktioneller Text“, der zwar nicht nach dem aussieht, was er ist (nämlich bezahlte Werbung), aber dafür umso mehr Aufmerksamkeit erhält.
Wehe nur, wenn jemand draufkommt. Denn dann haben sowohl Verlag als auch Werbender das Problem, dass sie sich presse- und wettbewerbswidrig verhalten haben. Abmahnungen und Ordnungswidrigkeitenverfahren drohen (Die letztere Möglichkeit hat, soweit mir bekannt ist, allerdings noch keinem Verleger den Angstschweiß auf die Stirn getrieben). Allerdings, auch das ein offenes Geheimnis: Überall dort, wo Vertriebsaktivitäten planbare Kosten – zum Beispiel durch Abmahnungen – nach sich ziehen können, können diese mit in gewissem Rahmen mit eingepreist werden.
Trotzdem wenig verwunderlich, dass dieses „Trennungsgebot“ von Werbung und Inhalten nicht allen gefällt – und so hatte jüngst der EuGH darüber zu entscheiden, ob die in den deutschen Pressegesetzen vorhandene Kennzeichnungspflicht überhaupt europarechtlich zulässig ist.
Bad News for ‘Good News’
In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Stuttgarter Zeitung gegen ein Printmedium namens „Good News“ geklagt, da letzteres nach Auffassung der Klägerin die Kennzeichnungspflicht gesponserter Artikel verletzte. Good News stellte sich auf den Standpunkt, dass das baden-württembergische Landesrecht aber gar nicht anwendbar sei, da es EU-Recht verletze – weil es insoweit strengere Vorgaben mache als die EU-Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr.
Die, so entschied der EuGH nun, ist aber auf Pressverleger und gesponserte Artikel gar nicht anwendbar. So bleibt es im Pressereich beim Trennungsgebot. Und natürlich auch bei den Umgehungsversuchen.
(Schleich-)Werbung auf Websites, Blogs und Social Media
Das genannte Urteil hat allerdings keinerlei direkte Auswirkungen auf neue und soziale Medien. Denn hier ist die europarechtliche und auch bundesrechtliche Systematik eine andere. Zunächst mal existiert für den Bereich der Telemedien eine EU-Richtlinie, nämlich die so genannte E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG. Und diese erkennt das Trennungsgebot für Telemedien ausdrücklich an. Die entsprechende Vorschriften im deutschen Recht finden sich einerseits in § 6 Telemediengesetz (TMG):
Kommerzielle Kommunikation
(1) Diensteanbieter haben bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, mindestens die folgenden Voraussetzungen zu beachten:
1.Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein.
Sowie andererseits in § 58 Rundfunktstaatsvertrag (RStV):
Werbung, Sponsoring, fernsehähnliche Telemedien, Gewinnspiele
(1) Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. In der Werbung dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden.
Die „Zweigleisigkeit“ der Regelung ergibt sich dabei aus der Unterscheidung zwischen einfachen Telemedien (nach dem TMG )und Telemedien mit „journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten“ (zum Beispiel Blogs wie diesem hier), für welchen die Regelungen nach dem Rundfunktstaatsvertrag gelten.
Bei Verstößen gegen diese Regelungen („Schleichwerbung“) drohen einerseits aufsichtsbehördliche Maßnahmen wie zum Beispiel Bußgelder. Für die gilt im Prinzip allerdings dasselbe wie für die Ordnungswidrigkeiten nach dem Pressegesetz: Die Aufsichtsbehörden – Im Falle von Telemedien die Landesmedienanstalten – haben viel zu wenig Personal und damit viel Wichtigeres zu tun, als derartigen Verstößen nachzugehen.
Viel schwerwiegender sind auch die in diesem Bereich drohenden Abmahnungen aus dem Gesichtspunkt des Verschleierns von Werbemaßnahmen, § 4 Nr. 3 5a Abs. 6 UWG.
Online ist nicht gleich Print
Allerdings heißt das nun noch nicht, dass man die hergebrachten Grundsätze aus dem Presserecht ganz einfach 1:1 auf Telemedien übertragen könnte. Nach dem Motto: Hauptsache, es steht „Anzeige“ dran.
Im Gegensatz zu den Papiermedien ist der Bereich der Telemedien ja geprägt durch Angebote, die schon ihrer Art nach immer werbenden Charakter haben, ohne dass dies einer ausdrücklichen Erwähnung bedarf.
Auf jede Unternehmenswebsite trifft das zu, ohne dass man sie deshalb ausdrücklich als Werbung kennzeichnen müsste. Andererseits existieren aber sehr presseähnliche Angebote (nämlich vor allem die Web-Ableger der Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine, die oftmals aus denselben Inhalten bestehen wie das jeweilige Papier-Produkt), sowie ganz neue Kategorien journalistischer Angebote mit zunehmender Relevanz. Blogs und Agregationsplattformen zum Beispiel, die teils rein journalistisch gehalten sind, oftmals aber sogar Vertriebsinstrument mit inhaltlichem Anspruch sind (wie auch viele Rechts-Blogs). Auch solche Angebote finanzieren sich oftmals (teilweise) durch Werbung. Was gilt nun in diesem Bereich?
1. Klassische Banneranzeigen
Keine Probleme gibt es zunächst mit der klassischen Banneranzeige, mit entsprechenden PopUps, Layer-Ads, Textanzeigen im Stil von Google-Ads. usw. Diese Werbeformen entsprechen ja weitgehend der klassischen Anzeigenwerbung und sind schon auf Grund ihrer Aufmachung als Werbeflächen zu erkennen. Hier ist in aller Regel auch dann keine Kennzeichnung als „Werbung“ oder „Anzeige“ notwendig, wenn sich die Werbung auf einem journalistisch-redaktionell gestalteten Angebot befindet.
2. Textlinks
Etwas schwieriger ist die Sache schon, wenn es um Links in journalistisch-gestalteten Angeboten angeht. Denn einerseits liegt im Setzen eines Links ja nichts anderes als einer Benutzung des Internets auf genau die Weise, auf die es benutzt werden sollte, nämlich für die Verknüpfung und Vernetzung von Ressourcen mit anderen.
Andererseits beweisen Angebote wie zum Beispiel „Teliad.de“, das dies nur die halbe Wahrheit ist. Denn durch Textlinks auf gut „gerankten“ Seiten lässt sich nicht nur der Traffic sondern auch der eigene Rank und damit der Wert der Zielseite extrem steigern. Dementsprechend muss jedenfalls der so durch Dritte bezahlte Link als Werbung gekennzeichnet sein (Nicht notwendig allerdings mit einem bestimmten Begriff wie „Anzeige“).
3. Sponsored Blog Posts
Solche „verlockenden“ Anfragen kennt wohl fast jeder, dessen Blog die Bekanntheit des eigenen Freundeskreises auch nur eben so überschreitet: Mehr oder weniger seriöse Marketingagenturen, oft aus dem Ausland, bieten an, für einen Blogartikel über dieses oder jenes Unternehmen eine, wenn auch sehr schmale, Vergütung zu zahlen.
„Ein paar Euro sind ja immerhin besser als nichts!“, mag sich da mancher denken. Dabei steht hinter dem Angebot natürlich derselbe Gedanke wie bei ungekennzeichneten, bezahlten Veröffentlichungen in klassischen Medien: „Die Leute“ vertrauen einem Produkt oder Unternehmen, das Ihnen eine vertrauenswürdige Person empfiehlt, selbstverständlich mehr und eher als wenn dasselbe Unternehmen sich in einer als solche erkennbaren Werbeanzeige präsentiert.
Aber muss ich nun kennzeichnen? oder nicht?
Die Grundlinien zur Beantwortung dieser Frage lauten:
- Wenn für ein Posting Geld oder eine andere Leistung (Produkt, Reise, „echter“ Anzeigenauftrag usw.) geflossen oder versprochen wurde und als Gegenleistung ein Beitrag versprochen wurde ist dies zu kennzeichnen
- Wenn keine ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung der Gegenleistung erfolgt, ist der Wert der „Zuwendung“ maßgeblich.
Es kommt also, wie so oft, auf eine Art Abwägung an. Ab welchem Wert einer Zuwendung diese als so gewichtig anzusehen ist, dass eine Neutralität des Beitrags nicht mehr plausibel ist, ist nicht geregelt. Die einen sagen, schon 50 Euro seien zuviel, die anderen ziehen die Grenze bei ca. 1.000 €. Ich persönlich sehe sie irgendwo dazwischen. Wegen des relativ großen Haftungsrisikos ist eher eine Kennzeichnung zuviel als eine zu wenig zu empfehlen.
Wie ist zu kennzeichnen?
Auch das ist (für Online) nicht geregelt, hier gilt das Ausschlussprinzip. Sowohl für “Sponsored Post” noch “Sponsored by” gibt es negative Gerichtsentscheidungen (zu letzterem die Entscheidung des LG München I vom 31.07.2015 (Az.: 4 HKO 21172/14). Hier sollte man also deutlicher werden. “Werbung” möchte zwar niemand gerne an seinen Post schreiben, zu empfehlen ist dies aber im Zweifel. Oder man erklärt z.B. in einem begleitenden “Disclaimer” ausführlich, was gelaufen ist (in etwa: “Mit wurde ein Exemplar des Produktes X im Wert von Y zur Rezension zur Verfügung gestellt, das ich behalten durfte. Auf meine Bewertung des Produktes hatte dies keinen Einfluss”).
Was kann schon schiefgehen?
Die Folgen von Verstößen können höchst schmerzhaft sein. Ein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht stellt in aller Regel einen Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt der Verschleierung geschäftliche Handlungen dar (neuerdings nicht mehr geregelt in § 4 sondern in § 5a Abs. 6 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG). Das heißt: Abmahnungen drohen und mit Ihnen hohe Kostenrisiken.
4. Virales Marketing
Besonders seit dem Siegeszug der sozialen Netzwerke spielen natürlich auch ganz andere Formen und gekennzeichneter Werbung eine Rolle, nämlich dort, wo es um Fotos oder Videos geht, die nicht auf den ersten Blick als Werbemaßnahme erkennbar sind und sich – etwa weil sie besonders witzig sind – durch Teilen im sozialen Netz verbreiten. Ähnliches gilt grundsätzlich auch für Tweets, soweit sie nicht von offiziellen Firmenaccounts kommen aber trotzdem als geschäftliche Handlung zu qualifizieren sind. Durch Unternehmen beauftragte positive Produktbewertungen gehören auch hierher.
Und selbstverständlich gilt auch hier das Trennungsgebot. Heikel wird die Sache immer dort, wo ein verständiger Nutzer nicht mehr erkennen kann, dass er gerade nicht einfach nur auf irgendein lustiges Video schaut, sondern auf eine Verkaufsförderungsmaßnahme. Auch hier kommen neben den vorgenannten Vorschriften von TMG und RStV wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche ins Spiel.
Fazit: Nicht alles was in der Print-Welt richtig ist, ist es auch in den neuen und sozialen Medien. Allerdings ist das Trennungsgebot von Inhalten und Werbung grundsätzlich auch in Blogs und den Social Media Plattform zu beachten, und dies aus guten Gründen.
Wer sich in diesem Fall rechtlich absichern möchte, wird daher auch in Zukunft nicht darum herumkommen, im Zweifel einen bezahlten Inhalt als solchen zu kennzeichnen oder ein Angebot, welches genau dies ausschließt, eher abzulehnen. Die Leserschaft wird es vermutlich ohnehin danken.
(Dieser Text wurde im August 2016 überarbeitet und aktualisiert.)
Ein sehr guter und interessanter Artikel. Vielen Dank!
Ein Punkt wird jedoch ausgelassen: Wie steht es mit Plattformen wie bspw. Jobportalen? Wenn bspw. Gesuche von Jobsuchenden unbezahlt sind, aber Firmen, die Jobangebote einstellen, dafür einen Betrag X zahlen, dass Ihr Jobangebot für einen bestimmten Zeitraum dort erscheint. Ist hier die unterschiedliche Art der Inhalte Trennung genug? Und es kann in einem Hinweis oder im Impressum oder ähnliches vermerkt werden, dass die eine Art von Inhalt bezahlt ist?